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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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des
Schicksals?«
    Sperre
hörte zu schreiben auf und sah mich an. »Entstanden in der gleichen Sekunde
aus dem gleichen Ei. Gestorben in der gleichen Sekunde im gleichen Auto.«
    »Wo
ist die Ironie?«
    »Wieso?«
    »Ich
kann darin keine Ironie erkennen.«
    »Hm.
Sie haben recht. Vielleicht dachte ich eher an ein Paradoxon.« Sperre
lächelte.
    Ich
spürte, wie mein Blut zu brodeln begann. »Paradox ist das auch nicht.«
    »Auf
jeden Fall ist es merkwürdig. Als hätte es irgendeine kosmische Logik, finden
Sie nicht auch?«
    Ich
verlor die Kontrolle und sah meine Knöchel weiß werden, als meine Finger die
Griffe der Plastiktüte zusammendrückten: »Keine Ironie, kein Paradoxon und
keine kosmische Logik.« Meine Stimme wurde lauter. »Nur eine zufällige
Symmetrie von Leben und Tod, die nicht einmal sonderlich zufällig ist, da sie
sich wie viele eineiige Zwillinge entschlossen hatten, ihr Leben in
unmittelbarer Nähe zueinander zu führen. Der Blitz schlug ein, und sie waren
gerade zusammen. End of story.«
    Die
letzten Worte hatte ich beinahe gerufen.
    Sperre
sah mich nachdenklich an. Er hatte Zeigefinger und Daumen an die Mundwinkel
gelegt und strich sich damit jetzt langsam bis zum Kinn. Ich kannte diesen
Blick. Er war einer der wenigen. Er hatte den Verhörerblick, der eine Lüge entlarven
konnte.
    »Hm,
Bratli«, sagte er. »Stimmt etwas nicht?«
    »Tut
mir leid«, sagte ich, lächelte vage und wusste, jetzt musste ich meine Worte so
wählen, dass ich bei diesem menschlichen Lügendetektor keine Reaktion
hervorrief. »Ich hatte gestern Abend einen Streit mit meiner Frau, und jetzt
auch noch dieser Unfall. Ich stehe etwas neben mir. Es tut mir wirklich leid.
Ich muss jetzt wirklich hier raus.«
    Ich
machte auf dem Absatz kehrt und ging.
    Sperre
sagte etwas, möglicherweise ein Wort zum Abschied, aber das wurde von der
Metalltür übertönt, die mit einem dumpfen Knall hinter mir ins Schloss fiel.
     
    Kapitel 21
     
    Einladung
     
    Ich stieg an der Haltestelle vor
dem Reichshospital in
die Straßenbahn, bezahlte beim Fahrer und sagte: »Ins Zentrum.« Er verzog den
Mund zu einem Lächeln, als er mir das Wechselgeld gab. Vermutlich zahlte man
immer das Gleiche, egal, wohin man wollte. Natürlich fuhr ich nicht zum ersten
Mal mit der Straßenbahn, als Kind hatte ich sie häufig genommen, aber die
Routine war mir abhandengekommen. Hinten aussteigen, das Ticket für die
Kontrolle aufheben, den Halteknopf rechtzeitig drücken und den Fahrer nicht
stören. Vieles hatte sich geändert. Der Lärm der Schienen war nicht mehr so
stark, die Reklametexte an den Wänden dafür umso aggressiver und die Menschen
auf den Sitzen verschlossener und stiller.
    Im
Zentrum stieg ich in einen Bus um und fuhr in Richtung Nordosten. Man sagte mir
beim Einsteigen, dass ich mit dem Straßenbahnfahrschein weiterfahren könne.
Fantastisch. Beinahe umsonst fuhr ich auf eine Art und Weise durch die Stadt,
von der ich nichts geahnt hatte. Ich war in Bewegung, ein blinkender Punkt auf
Clas Greves GPS, und glaubte, seine Verwirrung beinahe körperlich spüren zu
können: Was zum Teufel passiert da? Fahren die mit der Leiche durch die Stadt?
    In
Arvoll verließ ich den Bus und ging bergauf in Richtung Tonsenhagen. Ich hätte
dichter an Oves Haus aussteigen können, folgte meinem Plan aber Schritt für
Schritt. Vormittags war es in dieser Gegend sehr still. Eine alte Frau mit krummem
Rücken lief über den Bürgersteig und zog einen Rollwagen mit quietschenden
Rädern hinter sich her. Trotzdem lächelte sie mich an, als wäre es ein
herrlicher Tag, eine fantastische Welt, ein Leben voller Glück. Was dachte
Clas Greve jetzt? Glaubte er, dass Brown in einem Leichenwagen zu seinem alten
Elternhaus gefahren wurde? Aber warum fuhr der Wagen dann plötzlich so langsam?
Gab es einen Stau?
    Zwei
kaugummikauende, dick geschminkte Jugendliche mit Schulranzen und engen Jeans,
die ihre Gewichtsprobleme nur unterstrichen, kamen auf mich zu. Sie blickten
mich kurz an, unterhielten sich aber weiter laut über irgendetwas, was sie
aufregte. Als wir aneinander vorbeigingen, hörte ich ein: »... verdammt
ungerecht!« Ich nahm an, dass sie die Schule schwänzten und auf dem Weg zum
Bäcker in Ärvoll waren. Wahrscheinlich hatte die Ungerechtigkeit nichts damit
zu tun, dass 80 Prozent aller Teenager
auf dieser Welt sich die Teilchen nicht leisten konnten, die sie jetzt gleich
verdrücken würden.
    Plötzlich
wurde mir klar, dass Dianas und meine Tochter - ich war

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