Hear the Wind blow
Heimat gemütlich gemacht. Seine Hütte erinnerte mich an Chicos , da sie ungefähr genauso groß und ebenfalls aus Holz war, aber Lucky besaß einen Propangas-Kühlschrank und einen Propangas-Campingkocher statt eines Kamins. An der Decke hing ein wunderschön gesticktes Patchwork-Tuch , auch ein Werk von Lucky, wie er mir beschämt eingestand. Als ich genauer hinschaute, sah ich, daß er zwischen die Stickerei die Umrisse diverser Tiere eingearbeitet hatte.
In jeder der vier Wände befanden sich große Fenster, mit Fensterläden aus Holz, die man von innen zumachen konnte. Der übrige Platz an den Wänden wurde von Landkarten und graphischen Darstellungen der ortsansässigen Flora und Fauna eingenommen, desgleichen von Pilzen, Bäumen, Vögeln und Fischen. Ins Auge fielen auch, überflüssig zu erwähnen, seine Dienstwerkzeuge — ein riesiges Fernglas auf einem drehbaren Podest, das mit einer Gradeinteilung versehen war, außerdem ein Teleskop auf einem Dreibeinstativ und ein großes Funktelefon. Als ich ihn fragte, wie man all die Geräte und all den Nachschub in den Himmel transportiert habe, lächelte er und zeigte aus einem der Fenster, vor dem zwei ordentlich verschnürte Seile hingen.
»Montagewinde«, sagte er. Er konsultierte ein Mammut-Chronometer, das er am Handgelenk trug, sagte »Momentchen«, setzte sich dann auf einen Hocker und warf einen Blick durch sein Fernglas, machte eine Eintragung in einem Hauptbuch, änderte minimal die Ausrichtung, warf einen weiteren Blick nach draußen und machte sich eine zweite Notiz. Er schaute außerdem noch einmal ohne Fernglas durch jedes einzelne Fenster.
»Im Westen nichts Neues«, sagte er. Plötzlich bückte er sich und hob einen losen Faden auf, den er mit den Fingern aufrollte und in einer Hosentasche verstaute.
Etwas später konnte ich durch die Fenster sehen, wenn ich nicht allzu nah heranging, darum warf auch ich einen Blick durch das Fernglas, wobei ich mir Mühe gab, es nicht zu verschieben, obwohl Lucky meinte, daß das nichts ausmachen würde, das bekäme er im Handumdrehen wieder hin. Und der Ausblick war umwerfend, wenn auch ein bißchen monoton, kilometerweit nichts als Waldlandschaft, Wälder und Hügel, das Ganze in verschiedenen Schattierungen von Grün und Braun, die hin und wieder von den letzten Strahlen der späten Nachmittagssonne hervorgehoben wurden. Ich habe keine Ahnung, wie stark dieses Fernglas war, aber es war ungefähr dreißig Zentimeter lang, und die Einzelheiten, die man damit erkennen konnte, waren für eine Landratte wie mich ziemlich verblüffend.
Ich fragte Lucky, ob er sich an Chicos Besuch erinnern könne.
»Selbstverständlich«, antwortete er und streute einen soupçon Kakao in unseren Kaffee, den er uns gerade kochte. »Ein herzensguter Mensch in einem gebrochenen Körper. Ricky hat mir erzählt, daß die Bullen da unten, wo er herkommt, mehr Saft durch ihn gejagt haben, als man braucht, um eine Kleinstadt zu erleuchten. Alles in allem bleibe ich lieber hier oben im Himmel, vielen Dank. Bei Sturm ist es irrsinnig schön hier .«
»Ist Chico noch mal wiedergekommen ?«
»Nee, jedenfalls nicht, solange ich hier war. Und Freddy hätte es mir bestimmt erzählt, denn was glauben Sie, wie oft wir hier Besuch kriegen ?«
»Wer ist Freddy ?«
»Ich bin sechs Wochen oben und eine unten«, sagte Lucky und rührte vorsichtig um, was er da zusammengebraut hatte. »Dann kommt Freund Fred .«
»Hast du Chico mal Stoff gegeben, Lucky ?« fragte Ricky. »Guter Eigenbau, noch ungereinigt ?«
»Ich hab noch nie guten Eigenbau hier oben gehabt, der nicht gereinigt war«, sagte er. »Warum auch? Und Freund Fred rührt das Zeug nie an. Den törnt nur Pink Gin an, Gin und Angosturabitter .« Es schüttelte ihn schon beim Gedanken daran.
»Was hat Chico gemacht, als er hier war ?« fragte ich sie beide.
»Hat mit dem Fernglas durch die Fenster geguckt«, sagte Lucky und stürzte sich auf ein weiteres Fadenende . »Konnte sich gar nicht losreißen, stimmt’s , Ricardo ?«
Ricardo nickte. Ich sagte: »Guter Kaffee«, obwohl ich eigentlich nichts anderes als Kaffee in meinem Kaffee mag, schon gar nicht Kakao oder Zimt. Lucky freute sich aber. Seine Art zu leben interessierte mich. Auch ich habe meine Träume gehabt, der Welt den Rücken zu kehren, wie ich vielleicht schon ein paar dutzendmal erwähnt habe, aber hier gab es jemanden, der nicht nur der Welt den Rücken kehrte, sondern auch noch dafür bezahlt wurde. Darum fragte ich
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