Heart beats sex
einen Zettel mit all den relevanten Themen in der Hand und markierte die, die ich so schnell wie möglich nachzuholen hatte. Als sie mir den Zettel übergab, waren über fünfzig Prozent angekreuzt.
Mit dieser Neuigkeit kam ich nach Hause, und schon an der Haustür hatte mich Anna am Schlawittchen. »Und?«
Ich holte den Zettel aus der Tasche und sagte: »In den nächsten Wochen soll ich dieses Zeugs so schnell wie möglich lernen.«
Sie schnappte sich den Zettel und sah eine Weile darauf. »O Gott!«, stieß sie dann hervor. »Was hast du denn die ganze Zeit in Berlin gemacht?«
Ich schaute sie an, wie man einen hässlichen Frosch betrachtet. Auf einmal merkte ich deutlich, dass unsere Beziehung in die Richtung ging: Sie arrogant, ich dumm. Ich wollte mich nicht verteidigen und sie verstand nicht, dass es in Berlin anders war. Mir war klar, dass ein Streit unsinnig war. In Deutschland trugen wir keine Buntkleider, sondern Jeans und Polohemden. Doch hier auf Ibiza schien jede Gruppe ihr eigenes Ding zu haben. Ich fühlte mich schon unwohl genug in meiner Haut, wollte einfach nur in Ruhe gelassen und akzeptiert
werden und nicht weiter gehänselt. Jeka wäre es egal gewesen, sie würde, unabhängig wie sie war, die Buntkleider ignorieren. Doch ich wollte Freunde haben, und die fand ich nun mal nicht mit meinen alten Klamotten.
Früh morgens um sechs musste ich aufstehen. Eine Stunde lang Bio lernen sowie die Vokabeln von jedem neuen Kapitel. Hinten im Buch standen die Definitionen von allen wichtigen Vokabeln. Bio-Else meinte, auch wenn ich den Zusammenhang noch nicht verstand, wäre ich dann schon einen Schritt voraus. Es war der schwierigste Teil meiner Hausaufgaben. Denn Auswendiglernen hasste ich. Dann flitzte ich morgens ins Bad, putzte die Zähne und machte mich mit den Mitteln, die ich zur Verfügung hatte, so hübsch wie möglich. Etwas Labello für die Lippen zum Beispiel. Trank den letzten Schluck Tee und wartete fünf Minuten vor Abfahrt am Tor.
Es war demoralisierend. Vor allem die Vorkommnisse in der Schule. Die am meisten über mich spotteten, waren Claire, Magda und Tara, der Kern der Buntkleider. Tara war aus Holland, überragte alle an Bissigkeit, war zwei Meter lang, dünn und biegsam wie ein Hochsprungstab. Sie erinnerte mich an einen Ganter, der mich als Kind einmal bedroht hatte, als ich bei Omi zu Besuch war. Die Hübscheste von den dreien, nach Meinung der Jungs, war Claire, aber die Jungs schienen vor ihr Angst zu haben, denn sie wurde am wenigsten von ihnen gehänselt. Ganz anders war es mit Magda, die wegen ihrer dicken Titten bei den Jungs die größte Beachtung fand, am meisten angefasst, geschubst und betrachtet wurde. Sie war klein, hatte eine sehr klare Haut und einen großen Mund, den sie beim Essen nie ganz schloss, so dass man sehen konnte, wie das Essen von der Zunge hin- und hergeschoben wurde. Ihre bunten Kleider hatten die tiefsten Ausschnitte.
Die drei machten sich ständig über mich lustig, weil ich nicht in den Clubs abhängen durfte. Papi erinnerte mich immer wieder daran, wie sehr meine Lehrer in Berlin mich gehasst hatten (»Ich habe niemals hintereinander sechs Menschen mit solch einer Wut getroffen.«) und empfahl mir, mich gleich von Anfang an mit jedem im Kollegium gutzustellen. (»Danke ihnen für das Bemühen, dass sie dir was beibringen wollen und zeig deinen Dank in Kooperationsbereitschaft, dann haben beide was davon.«) Ich wollte nicht starrsinnig sein und versuchte es. Doch für mein Bemühen erntete ich leider keine besseren Zensuren, sondern nur die dreckigen Bemerkungen der Jungen, die mich Streberin nannten und mich mieden. Dazu kam noch, dass ich anders angezogen war, andere Musik hörte und nie verstand, wovon sie alle redeten.
Der Anführer war Ashley, ein Engländer. Er hatte aschblondes Haar, war mittelgroß und immer aggressiv. Seine beiden Mitläufer waren Marlon, ein Deutscher, der sehr schlecht Deutsch sprach und sich über Dinge amüsierte, die nicht mal er selbst witzig fand, und Rico, ein Italiener, der nichts sagte, sondern einfach nur lachte, wenn alle anderen lachten. Er war der Beliebteste bei den Mädchen, weil er so groß und mit seinen Engelslocken so schön war.
Ich war und blieb die Außenseiterin. Der ganze Januar war im Arsch. Seitdem hasse ich diesen Monat, der kälteste des Jahres, in dem es selbst auf Ibiza schneite, null Grad draußen und null Grad in meinem Herzen. In dieser Situation wünschte ich mich zu Mami nach
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