Heart beats sex
nervigerweise, Papis Kommentar beziehe sich auf meine Unehrlichkeit – ich stehe nicht zu meinen Taten, ich mache mich nicht dafür gerade. Außerdem hätte ich das Zimmer verlassen, um der Konfrontation aus dem Weg zu gehen – auch eine Art Feigheit, ich würde mich davor drücken, Stellung zu nehmen. Justin meinte es gut, aber ich hasste ihn dafür.
Am nächsten Tag unterschrieben wir den Vertrag und nahmen noch die »Klausel« auf, mit der ich mich verpflichtete (»meinem Wunsch Ausdruck verlieh«), bis zum Schulende kein Make-up zu benutzen. Annas Überzeugung war es, dass man Make-up nur benütze, um Männer zu angeln, was aber bei meinem Rückstand in allen Fächern … Na ja, ich glaube, sie haben mir die Make-up-Klausel als Strafe für die Lüge reingedrückt. Ich akzeptierte es für meine Dämlichkeit – warum lügen wegen so einer Lappalie: einmal die Tibeter nicht gemacht. Zumal ich vor Vertragsunterschrift ja gar keine Verpflichtung dazu hatte. Trotzdem bekam ich plötzlich eine Ahnung, was für ein Programm ich vor mir hatte. Doch warum sollte ich mich mit dieser Ahnung quälen? Lieber malte ich mir Anna als Arschloch aus.
Die letzten Nächte hatte ich kaum schlafen können, weil ich wegen der Schule so nervös war. Ich dachte die ganze Zeit daran, dass es hier wie in Berlin sicher unausgesprochene Regeln gäbe, was anzuziehen war und was nicht, welche
Hobbys in und welche total uncool waren und all die anderen Sachen.
Ich verbrachte Stunden damit, mir das richtige Outfit auszudenken – Jeans oder Rock, Turnschuhe oder Slipper, sollte ich mein Haar zusammenbinden oder ofen tragen, Nägel lang oder abgeschnitten, lackiert oder nicht. Nagellack konnte ich mir sowieso abschminken, denn Anna hatte mir alle »unnötigen« Sachen weggenommen, weil ich, als alle schon im Bett waren, zwei Stunden mit Jeka in Berlin heimlich telefoniert hatte (Ziffer 7: Mo telefoniert nicht unnötig), bis Anna irgendwann mein Lachen durch die Gänge hörte. Ich hatte keine Ahnung, wie die in der Schule hier rumliefen, aber als der Tag endlich da war und Anna in der Tür stand, war alles klar: »Jeans mit T-Shirt, normale Tasche, farblich bitte Blau und Grün dominieren lassen, das Haar zusammengesteckt.«
»Viel Erfolg«, sagte sie, ungeschminkt, als ich aus dem Auto stieg und mich in den Strom der Schüler einreihte.
4. Kapitel
S chon auf dem Weg zu meiner Klasse merkte ich, dass alle Mädchen ganz verschieden rumliefen und es keinen Dresscode gab. Ich konnte überhaupt nur eine Gruppe entdecken, die so etwas wie Einheitlichkeit erkennen ließ, und die waren ausgerechnet in meiner Stufe. Sie hatten blondes Haar, einige gefärbt, und trugen allesamt bunte Kleider zu passenden Ballerinaschuhen. Da stand ich mit meinen Jeans vollkommen unpassend daneben. In der Mittagspause saßen sie zusammen an einem Tisch und packten ihre hausgemachten Salate aus.
»Hi. Ich bin Mona. Ich bin neu hier«, sagte ich, nachdem ich es gewagt hatte, mich ihnen anzunähern.
Eine, die Claire hieß und Engländerin war, stieß mit lauter Stimme hervor: »Ja, das sieht man«, und alle kicherten. Die, die neben ihr saß, war Magda aus Madrid. Sie sagte irgendwas über meine Jeans und meinen zu dicken Hintern.
Ich lief rot an, dachte an meine angekauten Fingernägel und mein zotteliges Haar, setzte mich aber dennoch dazu, weil ich mich »gerade machen« wollte. Ich fühlte mich aber, als würde ich an Pein und Scham ersticken, brachte kein Wort heraus. Allerdings wurde das auch nicht von mir verlangt, denn die Buntkleider schnatterten zwar ordentlich herum, aber nicht mit mir, weil ich für sie gar nicht existierte.
In der ersten Stunde hatten wir Biologieunterricht. Else, die Lehrerin, stammte aus Böhmen. Sie war vielleicht Mitte
zwanzig, bleich, mager, klein von Gestalt, hatte ein längliches Gesicht und eine steile Stirn, umrahmt von tiefschwarzem Haar und kluge Augen hinter Brillengläsern. Sie war eine Person fröhlichen Lachens, das ihr jedoch verging, als ich keine der Fragen beantworten konnte, mit denen sie herausfinden wollte, wie vertraut ich mit dem Stoff war. Nach einer Weile fingen die Ersten über mein immer gleiches »Weiß ich nicht« zu kichern an, dann lachten einige und schließlich stimmten alle in das Gelächter ein. Bis auf Bio-Else. Am Ende der Stunde gab sie spezielle Aufgaben und sagte, wenn ich die Prüfung schaffen wollte, müsste ich äußerste Disziplin und Konzentration aufbieten und richtig ranklotzen. Sie hatte
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