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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Driest
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ein leeres Gefäß? Zwar kann ich nichts Unangenehmes empfinden, aber dennoch erfassen mich diese Gedanken wie ein Schwindel. Ich merke, wie die immer schneller werdende Reflexion mich ansaugt und in einem dunklen Loch verschwinden lässt. Blackout again.

6. Kapitel
    D er Winter war fast vorüber, und auf der ganzen Insel blühten die Mandeln, doch es war kein Frühling, wie ich ihn aus Berlin kenne, wo die Blüten der Krokusse und Schneeglöckchen sich durch den Vorhang aus Kälte und Schnee zwängen und mit ihren zarten Blättern erst einmal alles wegtauen müssen, bevor sie die Sonne anrufen können. Nein, hier war es einfach wärmer, die Luft klarer und am Tag trockener, der Himmel blau, die Blüten strahlend weiß. Es blüht hier ja auch immer, das ganze Jahr über. Anfang Februar begann bereits die Zitronenernte.
    Ich hörte das Schütteln und Rascheln und dumpfe Aufschlagen der Früchte, hörte Papis Fluchen, dass einige nicht aufgesammelt worden und verfault waren, obgleich alle, die zur Waschküche wollten, unter dem Zitronenbaum hindurch müssten. Ich nutzte die Gelegenheit, mich als gute Schülerin vorzuführen, ein leeres Gefäß, nur daran aufgehängt, von ihm geliebt zu werden. »Ich habe eine Frage, Papi«, sagte ich.
    Er bückte sich breitbeinig nach einer Zitrone. »Frag!«
    Ich stand über ihm auf der Treppe, denn der Zitronenbaum, auf gleicher Höhe mit der Waschküche, war eine Terrasse tiefer. Vielleicht gab mir das Mut, auf jeden Fall fühlte ich mich als Herrin der Situation. »Ich erinnere mich, wie oft du darüber gemeckert hast, dass der Winter zu nass ist.«
    »Na und?« Er warf eine verfaulte Zitrone über die Mauer, als wäre es ein Diskus.

    »Macht dir die nasse Kälte ein unangenehmes Gefühl, oder ist es so, dass allerlei unangenehme Gefühle sowieso immer auftauchen und vergehen, einfach weil man lebt, der Mensch sich aber immer einen Grund für alles suchen will und nun den nasskalten Winter dafür nimmt?« Eine Antwort auf die Frage zu bekommen, war nicht mein Motiv gewesen, aber dennoch hatte ich ein Problem gewählt, das mich tagein, tagaus beschäftigte: Waren zuerst die mir angenehmen Gefühle da und griffen sich dann einen scheinbar äußeren Anlass? Oder erzeugte der äußere Anlass die unangenehmen Gefühle?
    Er richtete sich auf und sah mich eine Weile an. Ich war mir nicht sicher, ob er nachdachte oder nur wartete, bis sich sein Bärengeknurre genügend aufgetürmt hatte, um es dann zähnefletschend auf mich loszulassen. »Ich habe in den verschiedensten Klimazonen gelebt, unter den verschiedensten Umständen und festgestellt, dass die Menschen meckern, egal wo und wie und wann. Sie meckern auch, wenn die Umstände sich geändert oder gebessert haben. Die Reichen meckern wie die Armen, die Alten wie die Jungen, und auch die ganz Kleinen drücken es mit ihrem Weinen aus. Also meine ich, weil wir leben, haben wir auch unangenehme Gefühle. Weil wir sie aber nicht mögen, suchen wir für sie einen Grund und leben in der Illusion und Hoffnung, dass auch unsere unangenehmen Gefühle vorbei sind, wenn der Winter vergangen ist, ohne zu bemerken, dass sie nicht vorbei sind, sondern nur der Winter und sie sich nun im Frühjahr einen neuen Grund oder ein neues Thema suchen müssen.« Er lachte. »Zum Beispiel die Unkonzentriertheit der Tochter.«
    Ich war sehr zufrieden, denn er hatte deutlich gesagt, was auch meine Vermutung war. Sein Seitenhieb auf meine Konzentration löste in mir einen Gong aus, den ich aber verhallen
ließ. Meine Konzentration würde sich durch eine Diskussion darüber nicht verbessern.
    »Und wenn man meckert, hilft das?«, fragte ich.
    »Nein. Das deckt die Gefühle nur ein wenig zu. Reden oder meckern ist eben nicht fühlen.«
    »Warum meckerst du denn?«
    »Es ist eine sehr schlechte Angewohnheit, in die ich von klein auf eingeübt bin.«
    »Warum über das Wetter?«
    »Dass das schlechte Wetter sich so gut eignet, liegt auch an unserem Denken in Konzepten.«
    Das verstand ich nicht.
    Er erklärte mir, dass das Konzept oder Bild vom schlechten Winterwetter das Wetter als starren Zustand beschreibe, so als wäre es immer gleich, während gerade das Wetter, wie auch die Gefühle, sich dauernd wandelten. »Du kommst im Winter in einen Raum und findest es wundervoll warm. Nach einer Weile ist es dir zu heiß, und du ziehst den Pullover aus. Dann gehst du raus, siehst den ersten Schnee, bist überrascht, weil es dich an einen schönen Kindheitstag erinnert, an

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