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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Driest
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getrunken, um sich für die schweren Gewichte fit zu machen, die er auf dem äußersten Dach zu einem Gym versammelt hatte. Die Kopfhörer, die ihn mit funky music anpeitschten, hatte er von seinen Ohren gestreift, um nun seine eigene Stimme hören zu können. Sie
umklammerten seinen Hals. »Ich dachte, du bist wieder ins Bett.«
    Ich schwieg. Egal, was er dachte – ich stand ja vor ihm.
    Sein Lächeln deutete ein Kompliment an. »Ein Lob der Disziplin«, sagte er und hielt mir eine Rede über den christlichen Leiter eines Internats, der einen Bestseller gleichen Titels geschrieben hatte. Er lobte den Autor, hatte bereits ein paar Mails mit ihm ausgetauscht und berichtete mir nun über dessen Vergleich von englischer und deutscher Erziehung. Ein Beispiel: Fordert man einen englischen Internatsschüler auf, seine Bude in Ordnung zu bringen, ruft er »Yes, Sir!«, und die Bude ist in fünfzehn Minuten top. Fordert man einen deutschen Schüler auf, fragt er, ob es gleich sein müsse. Besteht man darauf, ist am Tagesende nicht die Bude aufgeräumt; stattdessen erhält man eine Erklärung, warum das Zimmer nicht aufgeräumt werden konnte. Kommen englische oder andere Eltern zu Besuch, fragen sie nach dem »Fortschritt« ihrer Kinder; sind es deutsche, ist die erste Frage, ob sich die Kinder auch »wohlfühlen«, und die zweite erst, wie sie vorankommen.
    Es war klar, warum er mir das erzählte: ich und die Wohlfühlkultur! Alles meiden, was Unbehagen bereiten könnte. Ich wollte ihn gerade bitten, mich zu fragen, ob ich mich in seinem Kloster wohlfühle, als er plötzlich wie ein Wachhund stehen blieb und stirnrunzelnd ausrief: »Hörst du das auch?«
    »Was?«
    »Das hört sich an, als wenn jemand auf unserem Grundstück ist.« Er tapste an den Rand des Daches und schaute hinunter. »Da ist keiner. Es muss jemand im Wald sein.«
    Justin hatte ihm afrikanische Musik auf den iPod geladen, weil er das selbst nicht konnte; es waren Stammeslieder, die wegen der abgestreiften Kopfhörer nur sehr leise an seine Ohren drangen und ihm aus dem Wald zu kommen schienen.

    Ich ließ ihn noch dreimal auf dem Dach hin- und herrennen.
    »Ist das Spanisch?«
    »Ich glaube, das sind Afrikaner«, sagte ich.
    »Wie kommen die hierher?«, rief er.
    Mir gingen die illegalen Einwanderer durch den Kopf, die auf Kuttern oder Flößen das Mittelmeer überquerten. »Das sind die Rufe und Vorsänger deiner afrikanischen Musik«, sagte ich und zeigte auf seine Kopfhörer.
    Verblüfft schaute er mich an, als hätte ich gerade einen Geistesblitz gehabt. »Verrückt«, sagte er kopfschüttelnd.
    Er meinte nicht sich, sondern die Welt.
    Papi war schon fertig mit Sport und trollte sich. Ich machte meine Tibeter. Danach sauste ich unter Vermeidung der Gemeinschaftsräume zurück in mein Palais de Toilette, hatte die Tür aber noch gar nicht zu, da hörte ich schon seine Stimme: »Wo bist du?«
    Wo sollte ich sein?
    Ich machte die Tür auf und sah, wie sein prüfender Blick über all die leeren Plätze strich, auf denen sich eigentlich mein reichhaltiges Make-up-Sortiment befinden sollte, wo jetzt aber nur ein paar medizinische Tuben lagen. An Panoxyl fünf Prozent blieb sein Blick hängen.
    In solchen Momenten war ich nicht nur leicht genervt, sondern spürte seine heraufziehende Rede als Klopfen in meinem Gedärm, als Ziehen in meiner Lunge, als Pochen in meinem Herzen, als Hämmern in meinem Kopf. Doch ich schien Glück zu haben – es kam nur ein kurzer Dialog.
    »Wo hast du die Panoxyl her?«
    »Aus dem Kühlschrank.«
    »Du weißt ganz genau, dass es meine Pickelcreme ist«, sagte er unerwartet ärgerlich. »Du hast mich nicht einmal gefragt.
(Drohendes Thema: Du respektierst einfach nicht die Dinge anderer Leute!) Du hättest mich nach einer anderen angebrochenen Tube fragen können. Ich möchte keine unnötig öffnen, weil diese Salbe aufhört zu wirken, wenn sie so lange auf ist.«
    Seine beschissene Creme! Eine Mischung aus Frust und Pein brachte sämtliche Zellen in mir zum Tosen. »Ja, ich habe verstanden, Sir!«, brüllte ich. Und noch lauter: »Yes, Sir!«
    Ohne ein Wort verschwand er.

7. Kapitel
    E s war zu viel. Vielleicht tat ich nur, was andere Mädchen auch tun, die einen schwierigen Schulwechsel hinter sich haben, aber der hohe Grad an Aufmerksamkeit und Bewusstheit, der mir abverlangt wurde, drückte wie mit einem schweren Gewicht auf mich. Immer alles im Kopf haben – bloß nicht die Tibeter vergessen, die Spüle ausräumen, Höfe

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