Heartless 03 - Lockruf des Herzens
Augenbrauen nach oben zuckte. »Du magst Blumen?«
Die Lüge lag ihm bereits auf der Zunge. Sein Vater hatte ihn mehr als einmal für sein angeblich weibisches Getue geschlagen. Er hatte gemeint, nur Mädchen würden solche Sachen wie Blumen, Schmetterlinge und Vögel mögen. Er öffnete schon den Mund. Doch dann erinnerte er sich daran, wie Lord Blackwood mit der Orchidee umgegangen war. Und statt etwas zu sagen, nickte er erst einmal.
»Ich liebe Blumen. Ich sehe gerne zu, wie Dinge wachsen. Allerdings hat das meinem Vater nicht gefallen. Er meinte, dieser Kram sei etwas für Mädchen.«
Blackwood runzelte die Stirn. Chris wusste nicht, warum. Plötzlich machte der Graf eine unerwartete Bewegung, und instinktiv riss Chris die Arme hoch, um sich vor dem Schlag zu schützen.
Der Graf wurde sehr ruhig. »Ich werde dir nicht wehtun«, sagte er sanft.
In Chris' Hals bildete sich ein Kloß. Er wusste nicht, warum das passiert war oder warum seine Augen brannten, als wolle er gleich weinen. »Es tut mir Leid wegen der Blume. Ich wünschte, ich hätte sie nicht zerbrochen.«
Der Graf musterte sein Gesicht, dann griff er nach der abgebrochenen weißen Blüte auf dem Boden und hielt sie Chris hin. »Hier, du kannst sie haben.«
Chris nahm die Blüte aus Lord Blackwoods Hand. »Glauben Sie, dass sie Miss Whitney gefallen würde?«
Eine Sekunde lang dachte Chris, dass der Graf gleich lächeln würde, doch dann tat er es doch nicht. »Das kann ich mir vorstellen.«
Chris drehte sich um und ging auf die Tür zu.
»Ich komme jeden Morgen hierher«, rief ihm Lord Blackwood nach. »Vielleicht möchtest du mir ja gern mal mit den Pflanzen helfen.«
Chris blinzelte, als seine Augen dummerweise wieder zu brennen anfingen. »Ja - das würde ich nur zu gern tun.«
Als Chris durch den Garten auf das Haus zuging, sah er noch einen gelben Schmetterling. Doch dieses Mal dachte er nicht daran davonzufliegen. Er wollte mehr über die Orchideen im Glashaus erfahren, und der Graf hatte versprochen, es ihm beizubringen.
Chris blickte auf die gekräuselte weiße Blüte in seiner Hand und lächelte.
19
Adam arbeitete noch eine Stunde in dem kleinen Gewächshaus, das er hatte errichten lassen, um dort seine Pflanzen, die er in London hatte, unterzubringen. Während er mehrere verschiedene Orchideen teilte und umtopfte, fand er zu einer Ruhe, die sich bei ihm meist nur schwer einstellte. Es hatte ihn überrascht, als er auf den Jungen gestoßen war.
Seit seinem gescheiterten Versuch, mit Caroline eine Familie zu gründen, hatte er jeden Gedanken an Heim und Herd aufgegeben, sodass er im Laufe der Jahre zu der Meinung gelangt war, dass das so wohl auch am besten sei. Er kam mit Kindern nicht gut zurecht. Er hatte selten welche um sich gehabt.
Die Erinnerung daran, wie der kleine Christopher Derry die Orchideenblüte gehalten hatte, als wäre es ein kostbarer Edelstein, kehrte zurück. Bestand die Möglichkeit, dass Christopher doch sein und nicht Roberts Sohn war? Nein, das konnte nicht sein. Er musste zugeben, dass das Kind die dunkle Hautfarbe und die schlanke, breitschultrige Gestalt eines Hawthornes hatte, aber Chris' Haar wies den gleichen dunklen Braunton wie bei Robert auf. Allerdings hatte auch Adams Großvater braune Haare gehabt.
Doch dann erinnerte er sich wieder daran, wie gut er aufgepasst hatte, kein uneheliches Kind zu zeugen, und verwarf den Gedanken wieder. Und wenn der Junge nun Blumen liebte, wie er es als Kind auch getan hatte? Das bedeutete gar nichts.
Adam runzelte die Stirn und dachte wieder daran, wie Chris Derry sich vor Angst geduckt hatte, weil er glaubte, Adam wolle ihn schlagen. Ob er nun Roberts Sohn war oder nicht - es machte ihn wütend, dass der Junge bei seinen Adoptiveltern hatte leiden müssen.
Adam vermied sorgfältig den Gedanken, wie er sich wohl fühlen würde, wenn der Junge wirklich sein Sohn wäre.
Nachdem er auch die letzte Pflanze umgetopft hatte, verließ Adam das Gewächshaus. Als er den Kiesweg entlangging, schaute er zum schmiedeeisernen Geländer hoch, das den Balkon vor Jillians Schlafzimmer umfasste. Heute Nachmittag würde er sich mit einem Makler in Verbindung setzen, der einen passenden Wohnsitz für sie ausfindig machen sollte. Bis dahin würde er sich wegen des Jungen von ihr fern halten.
Heute Morgen hatte er, bevor er ins Gewächshaus ging, Ramses gesattelt, um einen Ausritt in den Park zu machen. Irgendetwas störte ihn, irgendetwas, das mit Jillian zusammenhing,
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