Heartless 03 - Lockruf des Herzens
und in sein wütendes Gesicht starrte. Dann riss sie sich los und verlor schäumend vor Wut die Beherrschung.
»Das denkst du also von mir? Du glaubst, dass ich Lord Fenwicks Mätresse war?«
Er antwortete nicht darauf, doch sein Gesichtsausdruck sagte auch ohne Worte, dass er genau das dachte - wie der gesamte Rest der feinen Gesellschaft von London. Dasselbe, womit die Klatschmäuler ihr das Leben in den letzten Monaten fast unerträglich gemacht hatten. Und die ganze Zeit hatte sie gedacht, dass der Graf von Blackwood jemand sei, dem sie vertrauen könnte.
Die ganze Zeit hatte er gedacht, dass sie eine Hure sei.
Jetzt war er davon überzeugt, dass sie den Grafen ermordet hatte.
Sie blinzelte die Tränen fort, die plötzlich in ihren Augen brannten, und hob das Kinn. »Als ich dir an jenem ersten Tag im Park begegnet bin, dachte ich mir, dass du vielleicht die Gerüchte gehört hättest. Später, als du beschlossen hattest, mir zu helfen, nahm ich an, dass dir nichts zu Ohren gekommen wäre oder wenn doch, dass du dem Gerede keinen Glauben schenken würdest.«
Sie richtete sich sehr gerade auf und straffte die Schultern. »Doch jetzt sehe ich den Grund, warum du dich entschlossen hattest, mir zu helfen. Du dachtest, dass ich dir dann so dankbar sein würde, dass...dass...dass ich dir deine Großzügigkeit zurückzahlen würde, indem ich... ich...«
»Ich habe noch nie eine Frau erpressen müssen, damit sie in mein Bett kommt. Ich hatte nicht vor, bei dir damit den Anfang zu machen.«
»Aber du hattest vor, mich zu verführen.«
Er zuckte die Achseln, als würde er keinen Zweifel daran hegen, dass es dazu kommen würde. »Ich dachte, wenn die Zeit reif wäre, würdest du bereitwillig in mein Bett kommen.«
Sie schluckte und wandte den Blick ab. »Wenn du das von mir wolltest, warum hast du dann letzte Nacht nicht weitergemacht?«
»Ich schlafe nicht mit einer Mörderin, Jillian, egal wie begehrenswert sie auch sein mag.«
Der Hals wurde ihr plötzlich ganz eng. Sie zwang sich dazu, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. »Ich bin keine Mörderin. Und ich war auch nicht Lord Fenwicks Mätresse.«
Der strenge Ausdruck auf seinem Gesicht änderte sich nicht.
»Lord Fenwick nahm mich bei sich auf, weil dies der größte Wunsch meines Vaters war. Er war nett und über die Maßen großzügig. Mir gegenüber hat er sich immer wie ein Gentleman verhalten. Ich liebte ihn wie den Vater, den ich verloren hatte, und er liebte mich wie die Tochter, die er nie hatte. Seit seinem Tod vergeht kein Tag, an dem ich ihn nicht vermisse, und ich hätte nie etwas getan, was ihm Schaden zufügen würde.«
Der Graf erwiderte nichts darauf, aber sie konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. »Du hast nie mit dem Grafen geschlafen?«
Ihr Gesicht lief rot an. »Nein.« Sie schaute nach unten auf ihre Schuhspitzen, die unter dem Saum ihres Rockes hervorschauten. »Ich bin eine unverheiratete Frau. Und ich habe mich immer wie eine solche benommen. Lord Fenwick hätte mein Großvater sein können. Ich weiß überhaupt nicht, wie so ein dummes Gerücht entstehen konnte.«
Sie schaute zu ihm auf und sah, wie er sie betrachtete - als könne er irgendwo in ihrem Gesicht die Wahrheit finden.
Der Graf strich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar, doch ein paar dicke schwarze Strähnen fielen ihm wieder in die Stirn. »Du behauptest also, Jungfrau zu sein.«
Sie kämpfte gegen ihre Verlegenheit. Diese Unterhaltung war zu wichtig, um sich jetzt in weibliches Getue zu flüchten. »Der Graf war ein lieber und mir zugetaner Freund. Der einzige Mann, der mich je berührt hat - bist du.«
Ein Muskel spannte sich in seinem Kiefer an, aber er sagte nichts.
»Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll, um dich zu überzeugen. Irgendwann muss ein Mensch in sich selbst hineinschauen, um Antworten zu finden. Er muss das glauben, was sein Herz ihm vorgibt. Ich wusste nichts von der Änderung des Testaments, und ich schwöre dir bei meiner Ehre und meinem Leben, dass ich den Grafen von Fenwick nicht ermordet habe.« Einen Moment lang schwiegen beide. Sie konnte den inneren Kampf sehen, der sich auf seinem Gesicht widerspiegelte. Die Gedanken, die sich formten, untersucht und verworfen wurden, die Schlussfolgerungen, die er zu ziehen versuchte.
»Glaubst du, dass ich die Wahrheit sage?«
Blackwood atmete tief und leicht bebend ein. Augen, die in einem durchdringenden Mitternachtsblau strahlten, bohrten sich förmlich in ihr Antlitz.
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