Heartless 03 - Lockruf des Herzens
spielen.
»Du willst für mich sorgen - so wie für den armen kleinen Waisenjungen oben? Nun, du hast mir genug wohltätige Güte angedeihen lassen, Euer Lordschaft. Deine Schwester war so nett, mir Geld anzubieten, falls ich es brauchen sollte. Sobald wir in London ankommen, werde ich mir eine andere Bleibe suchen.«
Adam packte ihre Schultern. Sein Gesicht wirkte wie eine Maske aus Stahl. »Sie vergessen sich, Miss Whitney. Bis die Sache mit Lord Fenwicks Ermordung nicht geklärt ist, wirst du genau dort bleiben, wo ich es dir sage. Das bedeutet, dass du wie zuvor Gast in meinem Haus sein wirst, wenn wir in London ankommen. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Sie biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. »Vollkommen.« Mit hoch erhobenem Kinn riss sie sich von ihm los und rauschte an ihm vorbei aus dem Arbeitszimmer.
Sie fing erst an zu weinen, als sie den ersten Stock erreichte und in die Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers flüchten konnte.
Himmel, warum war sie nur so dumm gewesen?
16
Auch während der Vorbereitung für ihre Abreise nach London blieb Jillians Stimmung trüb. Als könnte es die schlechte Atmosphäre im Haus spüren, war auch das Wetter umgeschlagen. Missmutige, metallgraue Wolken drohten mit Regen, und die kalte, feuchte Luft drang durch ihre Reisekleider. Bevor sie in die Kutsche stiegen, verabschiedeten sich der Graf und Jillian getrennt von der Gräfin.
»Sie werden doch bald zurückkehren, nicht wahr?«, hatte die alte Dame gefragt und dabei Jillian als ihre »liebste Schwiegertochter« bezeichnet.
Jillian zwang sich zu einem angespannten, schwachen Lächeln, log und sagte: »Natürlich.«
Ihre Laune war schlecht, aber dann stellte sie fest, dass der Graf in so einer miesen Stimmung war, dass alle um ihn herum nur auf Zehenspitzen gingen, als würden sie über Eierschalen laufen. Sogar Reggie, der ihn besser als alle anderen kannte, wirkte nervös.
»Was...was ist mit dem Jungen, Mylord?«, fragte er schließlich und schnitt damit eindeutig ein recht unerwünschtes Thema an.
»Wir werden ihn wohl mitnehmen müssen. Er soll seine Sachen packen. Er kann bei dir und Maude in der Kutsche mitfahren.«
»Ja, Mylord.«
Sie fragte sich, was der kleine Christopher wohl über den Grafen dachte und ob er auch nur den blassesten Schimmer hatte, warum er nach Blackwood Manor gebracht worden war. Denn es war ja überdeutlich, dass er in einem Haus gelandet war, wo man ihn nicht wollte.
Die Reise nach London war lang und verlief in unangenehmem Schweigen. Jillian saß Adam gegenüber und versuchte zu sticken, doch sie stach immer wieder daneben. Adam gab vor zu lesen, doch sein aufgewühlter Blick glitt immer wieder zu ihr. Sie war todmüde und völlig fertig, als sie beim George andDragon, einer gemütlichen kleinen Gastwirtschaft, die auf ihrem Weg lag, ankamen.
Jillian lehnte die Einladung des Grafen, mit ihm zu essen, steif ab und nahm stattdessen ihre Mahlzeit zusammen mit Maude, Reggie und dem kleinen Christopher Derry ein.
»Fahren wir wirklich nach London?«, fragte der Junge aufgeregt.
Jillian lächelte und dachte, was für ein gutmütiges Kind er doch war. »Bist du je da gewesen?«
»Nein, aber Mama und Papa haben früher dort gewohnt. Mama sagte, es gäbe dort ein paar wundervolle Sehenswürdigkeiten.«
»Ja, Junge«, erwiderte Maude. »Sie sind wirklich wundervoll. Vielleicht nimmt dich der Major ja mal in die Fleetstreet mit, um dir Mrs. Salmons Wachsarbeiten zu zeigen. Sie stellen da die Totenmasken aus.« Sie verzog das Gesicht zu einer grässlichen Grimasse, und Christopher heulte vor Vergnügen.
Er besaß so ein schönes Lachen, dachte Jillian. So strahlend und ansteckend für so einen kleinen Jungen. Sofort kam ihr die Erinnerung an ein ähnliches Lachen in den Sinn. Es war ein selten herrlicher Klang, an den sie sich nur zu gut erinnerte.
Es gehörte Adam Hawthorne.
Christopher schaute zu Maude auf. »Könnten Sie mich nicht mitnehmen, Mrs. Flynn? Ich glaube nicht, dass Seine Lordschaft mich mag.«
Reggie räusperte sich. »Natürlich mag er dich, Junge. Er hat einfach noch nie Kinder gehabt. Das ist alles. Sobald er dich ein bisschen besser kennen lernt, muss er dich einfach gern haben. Schließlich bist du sein eigen Fleisch und...«
»Warum besorgen wir uns nicht ein bisschen was vom Nachtisch?«, unterbrach Jillian ihn und warf Reggie einen warnenden Blick zu. Offensichtlich hatten die Dienstboten ihre eigenen Schlüsse
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