Heaven (German Edition)
Hatte sie mir eine Armee auf den Hals gehetzt? Plötzlich riss eine Öffnung in der Luft auf, als wäre sie aus Stoff. Sie raste auf uns zu oder wir auf sie, ich konnte es nicht sagen, alles ging so schnell, dass ich wie gelähmt war. Emily und ich klammerten uns aneinander und stolperten auf einen Marmorfußboden.
«Was ist …?» Emily versuchte sich aufzusetzen und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden.
«Kein Grund zur Aufregung», sagte da eine Stimme. Vor uns in einem Säulengang bauten sich drei leger gekleidete Gestalten auf. Als die größte von ihnen auf uns zu trat, wusste ich instinktiv, wer sie war. Ein unangenehmes Gefühl überfiel mich, als ob ich ohne Zeugnisse zu einem Bewerbungsgespräch gekommen wäre.
Josef sah anders aus als alle Engel, die ich je gesehen hatte. Er hatte lockiges, kurzgeschnittenes braunes Haar und einen scharfen, durchdringenden Blick, der viel forscher wirkte als der glasige Ausdruck, den ich von anderen Engeln gewohnt war. Er beachtete Emily nicht weiter, musterte dafür aber mich von Kopf bis Fuß. Besonders zu beeindrucken schien ich ihn nicht. Kein Wunder, wenn man bedachte, in welchem Zustand ich mich vermutlich befand.
«Hallo, Bethany.»
«Du weißt, wer ich bin?»
«Ich habe von dir gehört.»
«Zach hat dich also schon informiert?» Ich versuchte, beiläufig zu klingen, aber meine Hände zitterten. «Offensichtlich willst du keine Zeit verlieren.»
«Wieso auch?» Seine Lippen bewegten sich kaum, wenn er redete.
Ganz klar: Hier war kein Smalltalk angesagt. Mein Blick fiel auf Josefs schweren Stiefel, und ich dachte bei mir, dass dieser Mann hier eigentlich fehl am Platz war. Wahrscheinlich würde er sich mit einem Gewehr über der Schulter auf der Jagd wohler fühlen. Seine Haltung hatte etwas Wachsames an sich, als ob er jeden Moment bereit wäre, zu kämpfen.
Ich warf einen kurzen Blick auf die beiden Männer neben ihm. Sie waren beide groß und breitschultrig, wie gemacht für den Kampf. Aber ich hatte keine Angst vor ihnen.
«Was kann ich also für dich tun?», fragte Josef.
Die Frage war überflüssig, denn ganz offensichtlich wusste er schon, was ich wollte. Vielleicht war es seine Art, mich zu testen. Und er sollte nicht das Gefühl bekommen, mit mir seine Zeit zu verschwenden.
«Zach meinte, dass du mir helfen kannst», sagte ich so direkt wie möglich.
«Ach ja?» Er hob eine einzelne Augenbraue.
«Und, stimmt das?», platzte ich heraus. «Weißt du wirklich, wie ich zurück auf die Erde kommen kann?»
«Ja», antwortete Josef mit ausdrucksloser Miene.
«Warum bist du dann noch hier?»
Er seufzte, als würde ihn die Frage enttäuschen.
«Wer sollte denn sonst unsere Sache voranbringen?»
«Vielleicht könnte ich diese Frage beantworten, wenn ich wüsste, was du mit Sache meinst», sagte ich. Josef lächelte bitter.
«Du und ich», sagte er. «Wir sind die Sache . Es gibt Engel da draußen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie wir.»
«Ach, wirklich?», fragte ich fasziniert.
«Ja», antwortete Josef. «Es ist nicht richtig, uns Menschlichkeit zu schenken und dann wieder zu nehmen. Es wäre das Mindeste, uns die Wahl zu lassen. Und dafür kämpfen wir.»
«Das klingt … nobel», sagte ich. Es fiel mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Am liebsten hätte ich hammermäßig gesagt, aber ich wollte nicht zu jugendlich wirken.
«Das ist überhaupt nicht nobel», erklärte Josef. «Nur realistisch. Engel, die einmal als Mensch gelebt haben, sind oft keine anständigen Engel mehr.»
«Das heißt», begann ich zögernd, «du musst auch mal auf der Erde gewesen sein. Wann war das?»
«Vor mehreren tausend Jahren.»
Er starrte mich mit seinen tiefen, dunklen Augen an, ohne weiter auszuholen. Schmerzten ihn seine Erinnerungen etwa noch immer?
«Wie war dein Leben?», drängte ich.
Ich kam mir vor, als würde ich ihn aushorchen, aber ich musste mehr wissen, bevor ich ihm meine Zukunft anvertraute.
Josef schürzte die Lippen und atmete schwer durch die Nase aus. «Für eine Weile war ich glücklich. Ich tat alles, was in meiner Macht stand, um auf der Erde bleiben zu können. Ich war verheiratet, genau wie du.»
«Ehrlich?» Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. «Was ist geschehen?»
«Ich habe mir keine Gedanken über die Folgen gemacht. Ihr Leben geriet aus den Fugen, rutschte ins Chaos.»
Es war, als würde er meine eigene Geschichte erzählen.
«Und deine Frau? Sie müsste inzwischen hier
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