Heaven (German Edition)
Inhaltsübersicht]
12
Geschwisterliebe
Von diesem Tag an schlief ich unruhig. Ich träumte von Xaviers und Peytons Hochzeit, mit entzückten Gästen und großen Blumensträußen, ganz, wie es sich gehörte – nicht mit Ersatzringen und einem toten Priester wie bei uns. Xaviers gesamte Familie war dabei, und Peyton wurde von ihrem Vater zum Altar geführt. Auch Mary Ellen war geladen und zupfte mich die ganze Zeit am Ärmel. Als Xavier an ihr vorbeischaute, weinte sie. Dann veränderte sich die Szene, und ich sah Molly, die einen Heiratsantrag von Wade bekam. Sie nahm ihn ohne Zögern an, und er trug sie über die Tanzfläche. Sie schien zu tanzen, stand aber in Wirklichkeit auf seinen Füßen und wurde von ihm bewegt wie eine Marionette. Keiner ihrer Schritte war ihr eigener, und selbst ihr Kopf flog auf so unheimliche Weise von rechts nach links, als wäre sie eine Stoffpuppe. Als ihr Blick meinen traf, sah sie direkt durch mich hindurch.
Noch im Traum verspürte ich einen heftigen Schmerz im Nacken, wie einen plötzlichen Ausschlag, eine allergische Reaktion auf etwas oder jemanden im Zimmer. Ich drehte und wendete mich und suchte die Augen, die sich im Schatten verbargen, doch ich erhaschte nur für den Bruchteil einer Sekunde einen flüchtigen Blick auf eine Gestalt, bevor sie verschwand. Erst unmittelbar vor dem Aufwachen sah ich ihn. Es war einer der Sieben Reiter, auch wenn er ganz anders aussah als die anderen. Er trug eine Eisenmaske, um sein Gesicht zu verbergen, und Radlerhandschuhe. Die Maske hatte einen Schlitz für den Mund und Löcher für die Augen, durch die mich nichts als Dunkelheit ansah. Sogar aus der Entfernung glaubte ich, seinen rasselnden Atem zu hören. Mein Gefühl sagte mir, dass ich ihn von irgendwoher kannte. Der Traum verunsicherte mich zutiefst, und den ganzen Tag über spähte ich immer wieder misstrauisch über meine Schulter.
Als Xavier in der Vorlesung saß, kamen Ivy und Gabriel, um mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Zum Glück war Mary Ellen in der Bibliothek. Es war besser, wenn sie Gabriel nicht begegnete – ich wusste nicht, wie sie auf ihn reagieren würde, und wir hatten keine Zeit, ihre Flirtversuche abzuwehren.
«Ich habe von ihnen geträumt», erzählte ich Gabriel, der mit ernstem Gesichtsausdruck am Bettrand stand. Der Ring an seinem Zeigefinger klimperte, als er mit der Hand gegen den metallenen Rahmen schlug. Das Tageslicht, das durch das Fenster hereinströmte, verwandelte das Grau von Gabriels Augen in ein blendendes, spiegelndes Silber. Sie waren so tief und klar, dass ich das Gefühl bekam, direkt in seine Seele schauen zu können. Nur, dass er keine hatte.
«Sie versuchen, durch deine Träume deinen Aufenthaltsort herauszufinden», sagte er.
«Sobald ich also von der Ole Miss träume, wissen sie, dass ich hier bin?», fragte ich panisch.
«Träume sind selten so konkret», sagte Ivy und tätschelte mir die Schulter. «Wenn du von einem Wohnheim im College träumst, könnte das überall im Land sein.»
«Wahrscheinlich», sagte ich unbehaglich. «Aber sobald ich vom Hauptgebäude oder vom Collegelogo träume, ist die Sache gelaufen. Dann habe ich uns verraten.»
«Reg dich nicht auf», sagte Ivy. «Von so etwas träumst du nicht. Dein Unterbewusstsein ist mit anderen Dingen beschäftigt.»
«Ich hoffe, du hast recht», sagte ich heftig. «So, und was gibt es Neues? Habt ihr irgendetwas erfahren?»
«Soweit wir wissen, suchen die Sieben Reiter noch immer nach dir.»
«Wie schön», sagte ich und begann unwillkürlich, die staubigen Jalousien zu schließen. «Und ihr seid euch sicher, dass sie euch nicht verfolgen?» Die Vorstellung, dass meine Geschwister meinetwegen zu Schaden kamen, machte mich ganz verrückt.
«Dafür sind sie zu schlau», sagte Ivy. «Sie wissen, dass wir starke Gegner sind.»
«Kämt ihr denn gegen sie an?», fragte ich skeptisch. Ich hatte keine Zweifel an der Macht meiner Geschwister – Ivys schlanker Unterarm konnte so hart werden wie Stahl und hatte mehr Kraft als ein LKW –, trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, wie sie gegen eine ganze Armee antraten. Sie waren nun mal eindeutig in der Unterzahl.
«Ich weiß es nicht», sagte meine Schwester ernst. «Wenn es viele sind, stecken wir wahrscheinlich in Schwierigkeiten. Aber sie werden nicht riskieren, zu viele Männer zu verlieren.»
«Also bleiben wir einfach hier?», fragte ich, erleichtert, nicht schon wieder alles zusammenpacken und fliehen zu
Weitere Kostenlose Bücher