Heaven (German Edition)
verschwand in Richtung Hörsaal.
Xavier wirkte vollkommen desorientiert, und Ivy löste mich schließlich von ihm.
«Es ist alles okay, Beth», sagte sie und reichte mir eine Packung Taschentücher für mein Gesicht und meine laufende tränenverschmierte Nase. Die Tränen flossen so heftig, dass sich meine Haut straffte und mir die Augen zuschwollen. «Er wird wieder ganz der Alte», wiederholte Ivy sanft. Trotzdem beobachtete ich wie gebannt, wie sich seine Brust hob und senkte, misstraute meinen Augen und bezweifelte Ivys Worte.
«Beth?», fragte Xavier erschöpft. Er hatte Schwierigkeiten, zu fokussieren.
«Ich bin hier», sagte ich und heulte erneut los.
«Ist alles in Ordnung mit dir? Bist du verletzt?»
«Es geht mir gut, wenn es dir gutgeht», sagte ich und legte mich neben ihn. «Wie fühlst du dich?»
«Irgendwie komisch», sagte Xavier, woraufhin ich sofort aufsprang.
«Entspann dich», sagte Ivy. «Das ist ganz normal. Er braucht einfach nur Ruhe.»
Xavier murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, bevor er die Augen schloss und in einen tiefen, erschöpften Schlaf fiel.
Jetzt, wo ich wusste, dass es Xavier gutging, konnte er von mir aus stundenlang schlafen. Im selben Moment trat Gabriel mit zusammengeklappten Flügeln zu uns. Er schüttelte sich den Staub und den Putz von Haar und Kleidern und lächelte, als er Xavier sah.
«Und, wie geht es ihm?», fragte er.
«Er wird wieder gesund», antwortete Ivy und ließ sich erschöpft auf die Fersen fallen. «Aber einfach war das nicht.»
«Das glaube ich sofort.» Gabriel musterte meine tränenüberströmten Wangen und verquollenen Augen. Auch er wirkte erschöpft und ausgelaugt.
«Wie ist es gelaufen?», fragte ich.
«Es ist alles erledigt», antwortete Gabriel. «Die Studenten geben Mutter Natur die Schuld, und die Rettungsdienste sind auf dem Weg.»
«Und was ist mit Spencer?», fragte ich. Meine Augen füllten sich erneut mit Tränen, als ich an den letzten Blick dachte, den wir gewechselt hatten, bevor er starb.
«Er ist nie dort gewesen.» Aus den knappen Worten meines Bruders konnte ich ablesen, dass es klüger war, nicht genauer nachzufragen. Ich wusste nicht, was er mit Spencers Leiche gemacht hatte, aber es war sicher schwierig gewesen. Bewusstseinszustände zu verändern und Gedächtnisse zu löschen gehörten zu den Dingen, die Gabriel nicht gern tat. Darum tat er es nur, wenn es keine andere Alternative gab. Wahrscheinlich fühlte er sich jetzt nicht besonders gut. Ivy wechselte das Thema und ging zum Praktischen über.
«Wir sollten gehen», sagte sie. «Bevor jemand kommt.»
Zumindest für erste hatten wir die Katastrophe abgewendet und sie alle vier unversehrt überstanden. Ich wusste nicht, ob die Sieben Reiter in Gottes Auftrag arbeiteten oder nicht, aber falls nicht, schickte ich ein stilles Gebet nach oben. Danke, Vater, dass Du Xavier aus den Klauen des Todes entlassen und sicher zu uns zurückgebracht hast. Bewahre ihn vor allem Bösen, und ich werde alles tun, was Du von mir verlangst.
Wir saßen in einem urigen Zimmer in einem Gasthof am Stadtrand, in den wir uns geflüchtet hatten. Unser Gefühl hatte uns gesagt, dass wir lieber Distanz zwischen uns und den Campus bringen sollten, wo gerade erst der Angriff der Reiter stattgefunden hatte. Dass sie uns erneut aufspürten, fürchteten wir nicht. Sie würden eine ganze Weile brauchen, um sich neu zu formieren.
«Fort von dem Biest.» Xavier öffnete verwirrt die Augen.
«Willkommen zurück», sagte Gabriel leicht irritiert. Xavier sah ihn an, schien ihn aber nicht zu erkennen. Seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Ich berührte seine Stirn, sie war glühend heiß.
«Das Biest steigt aus dem Meer auf», stöhnte Xavier. Er krümmte sich auf dem Bett und blickte immer wieder zur Tür, obwohl sie verriegelt war.
«Was ist los?», fragte ich.
«Ich weiß nicht genau», sagte Gabriel. «Er zitiert die Offenbarung.»
«Es ist alles in Ordnung, Xavier», sagte ich. Litt er vielleicht an einer Art posttraumatischem Stress? «Hier ist kein Biest. Du bist in Sicherheit.»
Xavier ließ sich wieder auf die Kissen fallen. Seine Brust glänzte vor Schweiß, und er fletschte die Zähne, als hätte er Schmerzen.
«Beth, nein!» Er griff nach meiner Hand und umklammerte sie fest. «Du musst verschwinden. Jetzt sofort! Versprichst du mir das?»
«Die Sieben Reiter sind fort», sagte ich ruhig. «Gabriel und Ivy haben sie besiegt. Sie werden uns fürs Erste nicht
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