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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einem Mal so kalt und fremd vorkam wie damals, als er aus Cardiff hierhergekommen war.
    Die Musik beruhigte ihn.
    »Wer ist das?«, fragte Heaven.
    »The Divine Comedy«, antwortete David.
    »Deine Art von Musik?«
    Er nickte. »Manchmal.«
    »Jetzt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Eisiger Wind blies ihm ins Gesicht. Seine Augen begannen zu tränen und der Wind zerzauste sein Haar.
    Heavens Atem dagegen ging jetzt merklich ruhiger. Die Musik schien ihr gutzutun. Der Rucksack mit dem kaputten Fernrohr stand zwischen ihren Beinen.
    David zog es vor, nicht zu reden. Zu seiner Linken flog der schattenhafte Hyde Park vorbei, Wellington Arch leuchtete in der Nacht wie ein Relikt aus alter Zeit. Die Lichter waren nicht warm, sie sahen aus wie zerrissene Feuer, die einem vor den Augen zu wirren Bildern verschwimmen. Im knirschenden und knackenden Radio wurde Neil Hannon von Yamit Mamo abgelöst, die – wie passend – davon sang, dass jedermann einmal im Leben einen blinden Passagier findet und von ihm zum Tanz aufgefordert wird.
    David seufzte. Er fühlte sich ausgelaugt und völlig fertig, zu erschöpft, um denken zu können.
    Am Piccadilly Circus stiegen sie aus. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zum Charing Cross. Heaven fragte nicht, wohin sie unterwegs waren oder was er vorhatte, sie überließ David einfach die Führung.
    Den letzten Rest des Weges gingen sie zu Fuß, umhüllt von den künstlichen Lichtern der großen Stadt, die anstelle der fehlenden Sterne in den kalten Pfützen auf den Gehwegen schwammen. Der große Engel aus Bronze, der mit einem Bein auf dem Stein balancierend sich aus dem Brunnen inmitten des Kreisverkehrs erhebt, betrachtete schweigsam den selbst zu dieser Stunde noch recht dichten Verkehr und die vielen flackernden und verlogenen Leuchtreklamen. Hoch oben über diesem unwirklichen Glitzermeer aus Licht und Lügengespinst war kein einziger Stern zu erkennen. Da war nur allertiefste Schwärze.
    Sie befanden sich jetzt in dem Teil Londons, der keinen Himmel mehr besaß. Seit mehr als einundzwanzig Jahren schon war dort oben das Nichts, wo früher einmal Sterne gefunkelt hatten. Die meisten Londoner machten den Kometendafür verantwortlich, der damals monatelang die Schlagzeilen der Boulevardpresse beschäftigt hatte. Von Raumschiffen war die Rede gewesen, Aliens, eine Frau wollte sogar gesehen haben, wie ihr Hund von einem grünen Wesen entführt wurde. Die Wissenschaft tat das alles natürlich als Unsinn ab. Die Astrologen hatten andere Erklärungsversuche für das Phänomen, einer klang komplizierter als der andere, aber Antworten, das mussten sie letztendlich alle zugeben, hatten sie nicht gefunden.
    Sie erreichten den Piccadilly Square. David schaute wachsam zurück und brach dann das Schweigen.
    »Wer oder was uns auch immer verfolgt hat«, sagte er. »Ich glaube, sie haben unsere Spur verloren. Sein Blick glitt über die angetrunkenen Nachtschwärmer, die den Platz bevölkerten, selbst zu dieser Stunde noch. Er entdeckte weder den Lumpenmann noch den Typen mit den Handschuhen. Trotzdem, so ganz sicher war er sich nicht, dass sie ihre beiden Verfolger abgeschüttelt hatten.
    »Warum bringst du mich nicht nach Hause?«, fragte Heaven. Es klang nicht einmal misstrauisch.
    Sie überquerten die Straße. Ein paar Autos hupten wütend. »Weil die Kerle, die hinter dir her waren, nicht zu unterschätzen sind«, erwiderte David knapp. »Denk doch mal an die gefälschten Ausweise vom Gesundheitsamt. Die haben bestimmt längst herausgefunden, wo du wohnst.«
    »Glaube ich nicht.«
    »Ich schon.«
    »Woher sollen die denn meinen Namen kennen? Sie sind zufällig auf mich gestoßen.«
    »Bist du dir da sicher?«
    Sie sagte nichts. Sie vergrub die Hände in den Manteltaschen.
    »Ist dir kalt?«, fragte David.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ist eher angenehm, hier draußen zu sein.«
    Er blies sich in die Hände. »Du hast vorhin gesagt, dass du auf einem Boot lebst.«
    Sie nickte. »Na ja, das Hausboot ist mein Refugium.«
    »Dein Refugium?«
    Sie nickte schnell. »Meine Zuflucht, wenn du so willst. Eigentlich wohne ich drüben in Richmond.« Sie verdrehte die Augen und zog eine Grimasse. »Ist eine lange Geschichte.«
    »Wir haben Zeit. Es dauert noch eine Weile, bis wir am Charing Cross sind.«
    Sie schüttelte den Kopf, ihre langen Haare machten kleine hüpfende Sprünge. »Nicht jetzt.« Sie war nicht außer Atem, obwohl sie zügig gingen. »Wenn sie wirklich meinen Namen kennen und nach mir suchen,

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