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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der Mann mit den Handschuhen die Tür erreicht. Er betrat den Wagen. Aufmerksam sah er in ihre Richtung. Noch immer schien er keine Eile zu haben.
    Draußen, vor den Fenstern, schlurfte der seltsame Lumpenmann auf dem Bahnsteig entlang.
    Ein elektronisches Piepsen ertönte.
    Mit einem Ruck zerrte David Heaven zur nächsten Tür. Einen Herzschlag wartete er noch, einen zweiten. Dann sprang er.
    Hinter ihnen schlossen sich die Türen und der Zug setzte sich in Bewegung.
    Der Mann mit den Handschuhen schaute aus dem Fenster. Die Augen wurden groß wie Knöpfe. Dann tauchte er in den anderen Fahrgästen unter.
    »Schau!«, keuchte Heaven.
    David sah, was sie meinte.
    Der seltsame Lumpenmann stand noch immer auf dem Bahnsteig, dicht vor ihnen, und er beobachtete sie aus Augen, die irgendwie tot waren. Er bewegte sich nicht, starrte sie nur an. Dann begann er unsicher auf sie zuzuwanken.
    »Lauf!«, sagte David erneut. Das schien zu einer Gewohnheit zu werden in dieser Nacht.
    Der Lumpenmann schien nicht recht zu wissen, was er ohne den Mann mit den Handschuhen anfangen sollte. Er blieb einfach stehen, als habe ihn jemand abgeschaltet. David fand, dass er mehr als gruselig aussah. Nicht unbedingt böse, aber unglaublich . . . creepy. Ja, das brachte es auf den Punkt. Unter einem alten dreckigen Mantel, der über und über mit Nadelstichen bedeckt war, trug er einen dunklen Anzug, an dem Klumpen von etwas klebten, das an getrocknete Erde erinnerte. Sein Gesicht war bleich wie Wachs und die Augen waren leblose dunkle Seen inmitten von diesem toten Weiß.
    David musste an seinen Großvater denken. Daran, wie er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Man hatte ihn im Haus seiner Großeltern in Cardiff aufgebahrt. Genauso sah der Lumpenmann aus. Wie jemand, der schon einmal unter der Erde gewesen und dann zurückgekehrt war.
    David löste sich aus der Erstarrung. Egal! Was auch immer dieser Typ sein mochte, David hatte nicht vor, es herauszufinden. Er zog Heaven hinter sich her und sprintete die Rolltreppe hoch.
    Dann zerriss das Quietschen von Bremsen das unterirdische Labyrinth. David und Heaven blieben ruckartig stehen und schauten zurück. Die Notbremse! Der Mann mit den Handschuhen hatte tatsächlich die Notbremse gezogen!
    Heaven sah ihn aus erschöpften Augen an und keuchte: »Lauf!« Sie versuchte ein Lächeln, das ihr gründlich misslang. Sie hatte Angst.
    Und wenn er es sich eingestand, dann ging es David genauso.
    Er griff nach ihrem Arm, achtete nicht mehr darauf, ob er ihr wehtat. »Weiter!«
    Sie hustete, schnappte verzweifelt nach Luft, taumelte mehr und mehr, stürzte zweimal, schaffte es aber bis zur nächsten Rolltreppe. Dort sackte sie zusammen, kauerte am Boden. Ihre Augenlider flatterten.
    »Scheiße!« David warf einen Blick nach hinten.
    Da waren Schritte zu hören, noch weit entfernt, aber sie näherten sich schnell.
    Er bückte sich zu Heaven hinunter, hob sie hoch. Sie war ganz leicht. Er richtete sich auf und lief die Rolltreppe hinauf. Sie atmete flach. Ihre langen Haare streiften sein Gesicht. Nur noch wenige Meter und sie hatten es geschafft. Vorbei an den Plakaten und den Ticketschaltern, vorbei an den Bänken und den geschlossenen Kiosken, die letzten Stufen hinauf!
    Endlich, kalte Nacht.
    Geräusche, Straßenverkehr.
    David gestattete sich kurz ein erleichtertes Ausatmen. Londons Lichter waren wieder da.
    Heaven schlug die Augen auf.
    »Wir nehmen ein Taxi«, verkündete David. Er lief auf die Straße und winkte den nächsten schwarzen Wagen mit leuchtendem Schild auf dem Dach heran. Sie sprangen hinein.
    »Piccadilly Circus«, sagte David, ohne lange zu überlegen. Dann kurbelte er schnell das hintere Fenster herunter, sodass die kalte Nachtluft ins Innere strömen konnte. Er selbst zog den Schal enger um den Hals. »Besser so?«
    Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und dann begann sie leise zu weinen.

3. Kapitel

The Owl and the Pussycat
    D er Taxifahrer fragte nicht, warum David das Fenster heruntergekurbelt hatte und sich den eisig kalten Fahrtwind ins Gesicht schlagen ließ. Er wollte auch nicht wissen, warum seine beiden Fahrgäste so gehetzt und atemlos waren und sich im Rückfenster versicherten, dass niemand ihnen folgte. Es gab haufenweise seltsame Fahrgäste in London, so etwas kam eben vor. Im Radio lief ein schnelles Stück von Neil Hannon und Heavens Finger tippten nervös den Takt dazu auf das Polster des Sitzes. David schwieg und starrte nach draußen auf die Stadt, die ihm mit

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