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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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seine Art ja auch ganz nett. Es heißt, die Queen will ihn sogar adeln – für das soziale Engagement der Firma. DieStiftung hat er noch zusammen mit meinem Vater gegrün-det.«
    »Aber wer wohnt bei dir?«, beharrte David. »Wer sind die Leute, von denen du eben gesprochen hast?«
    »Eigentlich ist es nur einer. Ein Butler.«
    »Alfred?«
    Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Nein. Kein Alfred. Er heißt Mickey.«
    David starrte sie an. »Mickey?«
    Sie musste lachen. »Papa dachte, dass er jemanden einstellt, der so ist wie ich.«
    »Und wie bist du?«
    Sie blieb stehen. Hielt ihre Hände vor sein Gesicht.
    »Ach das«, murmelte David. Es war ihm nicht wichtig erschienen. Bloß eine Hautfarbe, eine von vielen.
    »Kinder können grausam sein, vor allem wenn sie aus Familien kommen, die das mit dem Londoner Schmelztiegel offenbar noch nicht recht verstanden haben. Früher glaubte ich immer, dass ich anders bin als die anderen, weil meine Haut eine andere Farbe hat.«
    »Und jetzt?«
    Sie lächelte. »Kein Problem.« Sie trat gegen eine Plastik-flasche, die auf dem Gehweg lag, und kickte sie in die Schatten. »Als mein Vater und meine Mutter ein Paar wurden, da war das ein Schock für seine Familie.«
    »Wieso?«
    Sie zuckte die Schultern. »Britische Upper Class. Sie hatten etwas gegen Farbige. Meine Mutter . . .« Sie unterbrach sich selbst. »Aber was erzähle ich dir meine ganze Lebens-geschichte.« In der Ferne schlug die Uhr im Big Ben dieStunde. »Mr Mickey passt jedenfalls auf mich auf, seitdem wir allein sind.« Abrupt wechselte sie das Thema: »Und du?« Sie sah ihn fordernd an. Hier draußen in der Kälte zeigte sie keine Anzeichen von Schwäche. »Du hörst dich nicht wie jemand an, der in London aufgewachsen ist.«
    »Cardiff«, sagte er.
    »Oh, Cardiff.«
    »Ja.«
    Sie starrte ihn an. »Cardiff ist weit weg.«
    »Ich vermisse das Meer.«
    »Das ist alles?«
    »Alles andere vermisse ich nicht. Ich bin abgehauen.«
    Ihre Augen leuchteten auf. »Im Ernst?«
    »Ja.«
    »Und warum?«
    David überquerte die Charing Cross Road, als sich eine Lücke im Verkehr auftat. Er ging jetzt schneller, das tat er immer, wenn die Erinnerungen unangenehm wurden.
    Heaven hastete neben ihm her. »Hey, was hast du denn plötzlich?«, fragte sie.
    »Nichts«, antwortete er.
    »Du musst mir nicht von deinem Leben erzählen.«
    Er blieb abrupt stehen. »Nein, so ist es nicht. Ich bin einfach abgehauen. Das ist alles.«
    Zwischen den schwarzen Müllsäcken, die an einer Häuserwand standen, lugte eine Katze hervor. An den Wänden hatte jemand Graffiti gesprüht. Dumpfe Bilder, Sprüche, wirres Zeug.
    »Komm, wir sind gleich da.« David zog sie weiter. Sie bogen in eine Gasse ein. Die Häuser hier waren klein und engund meist drei Stockwerke hoch, mit einem Dach, so schräg wie der Winterwind, wenn er sich in Westminster verirrt hat.
    David deutete auf einen kleinen Laden. Im Schaufenster war es dunkel.
    »The Owl and the Pussycat« stand über der Eingangstür auf einem Schild geschrieben. Man konnte unschwer die Eule und die Katze erkennen. Die Eule spielte auf einer Gitarre und die Katze hörte ihr zu. Beide saßen in einem Boot, das so grün war wie Tee.
    »Das ist das Zuhause, das ich in London gefunden habe.« Er wusste, das klang eine Spur zu feierlich, es war ihm ein bisschen peinlich, aber das war es, was er wirklich empfand. Und sie lachte ihn nicht aus, ganz im Gegenteil. Aufmerksam sah sie an der Fassade hinauf. »Komisch«, sagte sie. »Man geht so oft durch die Stadt und nie glaubt man, dass über den Geschäften jemand wohnt.«
    Er ging voran und zog einen Schlüssel aus der Hosentasche. Gemeinsam traten sie durch die Tür.
    Im Dämmerlicht des kleinen Ladens roch es nach Staub und Papier, nach Plüschsesseln und Regalen aus altem Holz. Orientalische Träume schwebten im Dämmerlicht, leise Lieder vom Licht ferner Wüsten und der Ruhe einer Rast. Eine Heizung klapperte irgendwo und ein Kühlschrank summte versteckt zwischen den Regalreihen. Doch über allem hing der Geruch nach Fernweh und Reiselust.
    »Räucherstäbchen«, kam David ihrer Frage zuvor. »Miss Trodwood mag sie.«
    Heaven folgte ihm in den Laden, aber sie tat es zögernd.
    David lauschte. »Sie schläft schon«, erklärte er unnötiger-weise.
    Miss Trodwood konnte man tagaus, tagein in ihrem kleiner Laden voller alter und neuer Bücher antreffen. Für jeden Kunden, der dort zwischen den Regalreihen herumstand und nicht weiterwusste, hatte

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