Heaven - Stadt der Feen
als die Treppenstufen.
»Ach ja, du kannst dir Klamotten aus dem Schrank nehmen. Zum Schlafen.«
Sie nickte.
»Und wenn irgendwas ist . . . ich bin unten.«
»Ich kann bestimmt nicht einschlafen, obwohl ich todmüde bin.«
»Ja, ich auch nicht.«
Er drehte sich um.
»David?«
»Ja?«
»Danke«, sagte sie noch mal.
Ein Lächeln. »Versuch zu schlafen.«
Dann schloss er die Tür. Und ging nach unten.
4. Kapitel
Der erste Morgen
I m Traum wandelte er über Dächer und Zinnen. Er blickte in Abgründe und dunkle Augen. Dazu das drängende Pochen eines Herzens, das nicht mehr da war, wo es hingehörte. Ein Song:
The Stowaway
. Der blinde Passagier. Das Aufblitzen eines Messers, laute Schreie. Hände, die sich aneinanderklammerten, schwarz und weiß ineinander verwobene Finger.
Aus der Ferne dann eine Stimme, brüchig und knarrend wie die Stufen im Treppenhaus. »Mister David Pettyfer«, sagte die Stimme, die an den schnell schwindenden Träumen nagte. Etwas knuffte ihn in die Schulter. Es war ein Finger, alt und knochig. »Es ist Tag! Fast neun!«
David schreckte auf. Müde blinzelte er dem Tageslicht entgegen. Er fühlte sich wie gerädert und hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, was vermutlich auch der Fall war.
»Oh, Miss Trodwood, ich . . .«
Die alte Dame stand neben ihm und benommen stellte David fest, dass der Laden noch nicht geöffnet war. Sanfte Lichtstrahlen drangen durch das milchige Fenster und die wohlige Wärme, die sie der klapprigen Heizung zu verdanken hatte, schien eigentlich aus den vielen Büchern zu kommen. Die feste Wolldecke, in die David sich eingewickelt hatte, lag auf dem Boden.
»Du hast im Sessel geschlafen.« Die alte Dame bedachte ihn mit einem überaus bohrenden Blick. Sie trug ein Kostüm aus grobem Stoff, ein sanfter Braunton, dazu einen Seidenschal mit indischen Ornamenten. »Das Mädchen hat schon gefrühstückt.«
Mit einem Mal war David hellwach.
Heaven!
»Sie . . .«
»Ich habe sie in meiner Küche getroffen und mich gefragt, was sie dort wohl tut.«
»Ähem . . .«
»Dann habe ich mich gefragt, wer sie wohl ist.«
David kratzte sich am Kopf.
Der tadelnde Blick wurde strenger. »Du kennst unsere Abmachung.«
David wusste, dass es so eine Sache mit dem Besuch war, gerade nach der Geschichte mit Kelly. »Oh, dieses Flittchen«, war sie ihm gegenüber nie müde geworden zu betonen. »Die hätte sich auch jemanden in ihrer Kragenweite suchen können. Stattdessen muss sie dir den Kopf verdrehen. Wo du noch so jung bist und so dünn, als würde dich niemand füttern.«
Mist! Jetzt war Miss Trodwood ausgerechnet über Heaven gestolpert. David hatte ganz vergessen, sie noch etwas nachdrücklicher vor der alten Dame zu warnen. Er hatte ihr zwar die Küche gezeigt, aber nicht erwähnt, dass sie auch von seiner Vermieterin benutzt wurde.
»Ja, das Mädchen«, sagte David gedehnt und rieb sich die Augen. »Das ist eine lange Geschichte . . .« Er hatte keine Ahnung, was er Miss Trodwood erzählen sollte.
»Ich mag lange Geschichten.« Sie ließ ein wenig von ihm ab und begann, die Bücher auf den Tischen zu sortieren.
»Übrigens, Mr Merryweather hat sich wahnsinnig über den Scott gefreut«, versuchte David einen plumpen Ablenkungsversuch. »Ich soll Sie grüßen.« Er fuhr sich durch das zerwuselte Haar, das ihm wirr vom Kopf abstand.
»Die Geschichte!« Sie legte beiläufig Salman Rushdie neben Michael Chabons Abenteuergeschichte über die jüdischen Schwertkämpfer.
»Sie heißt Heaven Mirrlees.«
Die alte Dame knurrte: »Ich weiß. Sie hat sich vorgestellt.«
David atmete etwas auf. Er kannte dieses Knurren. Es war ein versöhnliches Knurren. Ganz anders als das Schnalzen, das richtigen Stress bedeutete. Es sah so aus, als könnte sich vielleicht doch alles in Wohlgefallen auflösen. »Ich habe sie auf einem Dach getroffen. Es ging ihr nicht gut.«
Miss Trodwood begann damit, die Tageszeitungen in die Ständer zu stecken. Sie verlor nicht gerne Zeit. »So, so. Du hast sie also auf einem Dach gefunden.«
»Ja.« David stand auf und half ihr beim Einsortieren. »Sie hat meine Hilfe gebraucht.«
»Deswegen hast du sie hergebracht?«
Er nickte schnell.
»Habe ich dir nicht gesagt, wie gefährlich das dort oben ist? Noch zu dieser Jahreszeit.«
»Ich . . .«
»Gerade bei diesem Wetter. Die BBC hat Schnee gemeldet für die nächsten Tage.« Sie rückte sich die Brille mit dem soliden Stahlrahmen zurecht und funkelte ihn warnend an.»Du
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