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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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kannst ebenso gut die Straßen nehmen wie jeder normale Mensch.« Ihre schmalen grünen Augen funkelten wie die einer alten Katze.
    »Tut mir leid.« Er wusste, dass er zerknirscht klang. Miss Trodwood schaffte es immer wieder, ihm das Gefühl zu geben, er wäre ein kleiner Junge. Er dachte daran, was er früher draußen auf den Straßen so alles abgezogen hatte, und wusste, dass seine Kumpels von damals den Mund nicht mehr zukriegen würden, wenn sie wüssten, wie viel Respekt er vor dieser winzigen alten Lady in ihrem braunen Kostüm hatte. Manchmal kam es ihm so vor, als ob gerade diese Gegensätze der Grund dafür waren, weswegen sie so gut klarkamen.
    Miss Trodwood hob die Hand und machte wütend »Ts, ts, ts« und sagte dann: »Das soll mich jetzt überzeugen?«
    »Sie brauchte wirklich Hilfe.«
    »Na, hör sich das einer an«, murmelte Miss Trodwood und ging zur Tür. Sie schüttelte den Kopf und schloss den Laden auf. »Wir müssen öffnen.« Sie prüfte die Klingel und wirkte zufrieden.
    »Wie lange wird sie denn bleiben?«, fragte sie.
    »Nicht lange. Ich kenne sie ja kaum.« Okay, das klang entschieden dämlich. Aber egal. Langsam bewegte David sich auf den Vorhang hinter der Kasse zu.
    »Ich würde mir lieber eine Jacke anziehen«, bemerkte die alte Dame. »Das Mädchen sitzt oben in der Küche und hat alle Fenster geöffnet.«
    Verwundert registrierte David, dass Miss Trodwood ganz offensichtlich gebilligt hatte, dass Heaven sich es in ihrer Küche bequem machte.
    »Geht es ihr gut?«
    Die alte Dame gestattete sich ein Lächeln. »Sie ist sehr höflich.« Sie ging ein paar rasche Schritte auf David zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen, obwohl sie auch damit nur bis zu seiner Brust ragte, und flüsterte verschwörerisch: »Und sehr viel ansehnlicher als das Flittchen.«
    David schluckte.
    »Keine Angst, ich werde ihr gegenüber das Flittchen nicht erwähnen.«
    David krächzte leise: »Danke.« Dann griff er nach seiner Jacke, die auf dem Boden vor der Kasse lag. »Ich gehe dann mal zu ihr«, murmelte er und verschwand hinter dem Vorhang.
    Heaven saß in der Küche und las in einem Buch. Sie klappte es zu und sagte: »Guten Morgen.«
    David blinzelte. Er rief sich die Geschehnisse der letzten Nacht ins Gedächtnis zurück und freute sich, mehr als er sich eingestehen wollte, sie zu sehen.
    »Hey«, sagte er.
    Kalt war es in der Küche, schweinekalt.
    Durch die geöffneten Fenster drangen die lauten Geräusche des Morgens ins Zimmer. Die Autos, die sich durch die Charing Cross Road drängelten, die Lieferwagen, die unten in der Gasse laut scheppernd ihre Waren entluden, die unzähligen Menschen, die zur U-Bahn hasteten. All das, was London ausmachte, erwachte zum Leben.
    David schaute aus dem Fenster und sah dichte Wolken am Himmel. Es roch nach Schnee. David konnte sich nicht erinnern, dass es vor Weihnachten Schnee gegeben hatte. Genaugenommen hatte er nur selten erlebt, dass es geschneit hatte. So etwas gab es in Cardiff nicht, obwohl er sich als Kind immer danach gesehnt hatte.
    »Wie geht es dir?«, fragte er und knöpfte seine Jacke zu.
    Heaven schlürfte Tee aus einer Tasse. »Ich habe Miss Trodwood kennengelernt.«
    »Ich weiß.«
    »Schlimm?«
    Er schüttelte den Kopf. »Normalerweise mag sie keine Besucher. Dich mag sie.«
    Heaven legte den Kopf schräg. »Sie hat mir von ihrer Himbeermarmelade abgegeben. Ich könnte sterben für Himbeermarmelade.« Sie lächelte. »Aber am Anfang hat sie geglaubt, ich sei jemand anderes.«
    David hatte es geahnt.
    »Jemand namens Kelly.«
    Er seufzte. »Sie war . . . die Sozialarbeiterin, die mir zugeteilt war.«
    »Sozialarbeiterin?«
    »Diebstahl. Bin erwischt worden. Ist dämlich gewesen.«
    »Und sie hat öfter hier übernachtet?«
    »Wer?«
    »Deine Sozialarbeiterin?«
    »Nein, nie. Miss Trodwood mochte sie nicht.« Er hielt kurz inne, dann sagte er: »Na ja, ich mag sie auch nicht mehr.«
    Heaven lächelte dieses Lächeln, das jede Kälte in der Küche vertreiben konnte.
    David setzte sich zu ihr an den Tisch. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch. »Wie geht es dir?«, wiederholte er seine Frage von vorhin.
    »Ich habe nicht gut geschlafen.« Sie berührte ihre Brust. Auf einmal war ihr Lächeln wie weggewischt und sie sah so verzweifelt aus wie letzte Nacht. »Heute Morgen kommt mir all das noch viel verrückter vor. Und du – du musst mich für verrückt halten.«
    »Nein.« Er griff nach ihrer eiskalten Hand. »Das tue ich nicht.« Er konnte sein

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