Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
sie die passende Empfehlung. Und sogar für diejenigen, die nicht in den Laden kamen. Wie eine literarische Miss Marple fahndete sie nach seltenen Ausgaben alter Bücher, manchmal im Auftrag ihrer Kunden, manchmal einfach nur so.
    Und weil es anstrengend war, Bücher aufzuspüren (Miss Trodwood behauptete manchmal, je älter sie wären, desto stärker zeigte sich ihr eigener Wille), ging sie Abend für Abend Punkt acht Uhr ins Bett.
    Heute war David froh darum. Er wusste, dass sich die alte Dame brennend für seine neue Bekanntschaft interessieren würde, denn sie hatte ein Gespür für Dinge, die sie nichts angingen.
    Sie hatte ihn sogar auf die Sache mit Kelly angesprochen. »Hast du ihr endlich den Laufpass gegeben?« Sie begann einfach mit einer direkten Frage. »Oder hat sie dir den Laufpass gegeben, was auch keinen großen Unterschied macht?«
    Obwohl David kein Interesse daran hatte, mit Miss Trodwood über seine Beziehungsprobleme zu reden, ließ sie ihm keine Wahl. Sie löcherte ihn mit mehr als nur einer Frage und schließlich hatte sie bei Tee und Gebäck all das aus ihm herausgelockt, was David so schnell wie möglich vergessen wollte.
    »Du bist noch so jung«, sagte sie. »Jeder macht Dummheiten, wenn er jung ist. Aber jetzt musst du deinen Kopf gebrauchen.« Sie hatte gütig gelächelt. »Du bist nicht mehr in Cardiff. Du musst nach vorne schauen. Eigentlichist es ganz einfach. Such dir ein Mädchen, das zu dir passt.«
    Sie hatte diese Worte sehr bestimmt geäußert. Genauso bestimmt, wie sie ihm damals gedroht hatte, ihn sofort wieder auf die Straße zu setzen, wenn sie ihn mit Drogen erwischte. Alles, was Miss Trodwood sagte, war bestimmt.
    »Warum lachst du?«, fragte Heaven neugierig.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich musste nur gerade an etwas denken.« Er knipste das Licht an. Sofort wurden die Schatten zu wirklichen Gegenständen. Zu Regalen voller Bücher und Tischen mit Neuerscheinungen. Es gab einen überaus altmodischen Sekretär, auf dem eine mächtige Registrierkasse stand. Dahinter an der Wand hing das Gedicht von Edward Lear, das dem Laden seinen Namen gab. Einige Kartons standen an der Wand, mit Paketband verklebt. Daneben stapelten sich vom Boden aufwärts die neu gelieferten und noch nicht einsortierten Bücher. Zeitschriften gab es keine, nur Tageszeitungen.
    »Hier arbeitest du also?«
    Er nickte. »Ich mag es.« Er fragte sich, ob Miss Trodwood Heaven mögen würde.
    Sie lächelte. »Und du wohnst . . .?«
    Er deutete auf einen Vorhang hinter der Registrierkasse. »Dahinter geht es ins Lager und in die Wohnung hinauf. Wir müssen leise sein. Miss Trodwood wohnt gleich ein Stockwerk höher. Und die Stufen knarren.«
    Heaven durchquerte den Raum und blieb neben einem Ungetüm von Möbelstück stehen, das mitten im Raum stand. Plötzlich musste sie grinsen. »Ist das der gemütliche Sessel?«
    »Treffer«, antwortete David nur.
    Er ging voran, unter dem Vorhang hindurch. Es wurde Zeit, sie nach oben zu bringen, wo er die Fenster aufmachen konnte. Noch zeigte sie keine Anzeichen von Schwäche, aber er wollte es nicht provozieren.
    Heaven folgte ihm. Leise setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die Stufen knarrten trotzdem. Holz liebte es wohl, sich in den völlig falschen Momenten zu dehnen und zu strecken.
    »Sie mag es nicht, wenn ich Besuch mitbringe. Miss Trodwood, meine ich.«
    Heaven erwiderte nichts, sah sich nur um. An der Wand im Treppenhaus hingen die Bilder von Schriftstellern. Dylan Thomas, Edward Lear, Edith Nesbit, James Thurber, Graham K. Chesterton und A. A. Milne und John Masefield. Die Stufen führten zu einem Korridor und der Korridor führte zu einer Tür und die Tür führte in ein Zimmer.
    »Mein Zuhause.« David machte das Licht an und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Dann drehte er die Heizung aus. »Du kannst die Matratze da benutzen. Die ist das Bett.«
    Heaven betrachtete alles. Das Zimmer war klein und nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Matratze, Schrank, Regal, Sessel, eine alte Stehlampe mit Bommeln am gemusterten Schirm, Vorhänge mit orientalischem Muster, in einer Ecke stand statt eines Fernsehers ein großes Radio mit Drehknöpfen. Dielenboden, kein Teppich.
    Er zeigte ihr, wo es zum Bad ging und zur Küche.
    »Und dir macht die Kälte wirklich nichts aus?«
    »Nein, ich kann sogar leichter atmen, wenn es kalt ist.«
    »Hm.«
    Für einen Moment standen sie schweigend da, David im Türrahmen, Heaven vor dem Fenster. Die Stille im Raum knarrte lauter

Weitere Kostenlose Bücher