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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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nicht aus. »Warum sollte ich denn lügen? Mit einem Messer an der Kehle?«
    Der Mann überlegte kurz. Noch immer lag die Klinge an Davids Hals. »Eine gute Geschichte«, murmelte er nachdenklich.
    David hielt dem Blick ruhig stand.
    »Eine wirklich gute Geschichte.«
    Der Mann mit den Handschuhen schaute zum Haus, hob den Kopf und schloss die Augen. »Es riecht nach Schnee«, sagte er. Seine Augen öffneten sich wieder und kamen David ganz nah. »Weißt du, was, Tiny Tim?« Er zwinkerte nicht ein einziges Mal. »Ich glaube dir nicht.« Mr Scrooge ließ die Klinge vor seinem Gesicht in der Luft tanzen. »Du hast Lügen in den Augen. Ich kann sie von hier aus sehen.«
    Der Lumpenmann schnaufte. David fiel jetzt erst auf, dass die Haut sich ihm langsam vom Gesicht schälte.
    »Wo ist das Mädchen?«, fragte Mr Scrooge erneut.
    »Sie wohnt genau hier«, fauchte David. »Gehen Sie doch hin und klingeln.«
    »Du verstehst gar nichts, tiny, tiny, dying Tim.« Davidspürte den schnellen Schnitt am Hals nicht einmal. Das Messer war so scharf, dass er erst daran dachte, geschnitten worden zu sein, als das warme Blut an seinem Hals herablief. »Das ist erst der Anfang.« Die Freundlichkeit fiel von Mr Scrooge ab wie ein altes Kleidungsstück, das nur der Tarnung gedient hat. »Ich werde dir die Kehle durchschneiden, wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will.«
    »Was haben Sie davon, wenn Sie mich töten?«
    »Nichts«, sagte Mr Scrooge. »Gar nichts. Es macht nur Spaß.«
    »Was wollen Sie von Heaven?« David fragte sich, woher der Trotz in seiner Stimme kam.
    Mr Scrooge schlug ihm fest in den Magen. David krümmte sich zusammen, aber plötzlich empfand er Genugtuung, dass er den Mann aus der Reserve gelockt hatte. Obwohl die Hand noch immer wie ein Schraubstock seinen Hals umklammerte, kam er sich vor, als hätte er so etwas wie einen Sieg erzielt.
    »Du wirst mir jetzt sagen, was ich wissen will«, fauchte Mr Scrooge, offensichtlich mit seiner Geduld am Ende. »Ich werde dich ein letztes Mal fragen, tiny, tiny Tim, und wenn du nicht in einer Pfütze deines eigenen Blutes verenden willst, dann wirst du mir eine Antwort geben, die mich in eine äußerst friedvolle Stimmung versetzt.« Er ließ die gekrümmte Klinge des Messers vor Davids Augen hin- und herfahren.
    David konnte die Angst sehen, die in seinem Blick stand und die sich in dem Metall spiegelte, und plötzlich wusste er nicht mehr, wie er eben an so etwas wie Sieg hatte denken können.
    Das Messer wanderte wieder zu seinem Hals hinab.
    »Ich kann es in deinen Augen lesen, junger Mann, und
    dies wird die einzige Frage sein, die ich dir beantworten werde.« Mr Scrooge grinste. »Mit diesem Messer habe ich deiner neuen Freundin das Herz aus der Brust geschnitten. Glaube mir, du hast keine Ahnung, was ich sonst noch alles damit tun kann.« Er kam Davids Gesicht immer näher, so nahe, dass der Junge den winterlichen Atem riechen konnte. »Wo ist das Mädchen?«
    David versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Er sah Heaven vor sich, in der Küche drüben am Charing Cross. Er sah ihr Lächeln. Und mit einem Mal wurde ihm bewusst, was das Ganze hier bedeutete, und vor lauter Erleichterung wurde er fast übermütig. Die beiden Männer hatten nicht den blassesten Schimmer, wo Heaven steckte! Sie tappten im Dunkeln!
    Und wenn er die Klappe hielt, dann würde es ihnen schwerfallen, die Spur zum Buchladen aufzunehmen! David führte keinen Ausweis mit sich, das tat er nie. Es würde also einige Zeit dauern, bis sie herausfinden würden, wer er war und wo er wohnte, wenn überhaupt. Und wenn er sich in der nächsten Stunde nicht bei Heaven meldete, dann würde sie hoffentlich verschwinden und sich irgendwo anders verstecken.
    Die Klinge drückte ihm gegen die Haut. Er musste an das Lied denken, das im Radio des Taxis gelaufen war.
    Stowaway
.
    Once I found a stowaway, upon my ship on Christmas day
.
    Dann hörte er eine Stimme, die eindeutig nicht von Mr Scrooge stammte.
    »Stehen bleiben!«
    Die Stimme zerschnitt tief und laut die kalte Luft, sie war so befehlsgewohnt und bestimmt wie die der Bullen bei einer ihrer Drogenrazzien. »Was ist da los?«
    Schnelle Schritte näherten sich.
    Mr Scrooge löste den Griff. »Wir finden euch«, sagte er und zwinkerte David zu. Dann ließ er ihn zu Boden fallen. David schnappte panisch nach Luft. Er tastete seinen Hals ab und konnte kaum glauben, dass es vorbei war. Außer dem Schnitt, den Mr Scrooge ihm zugefügt hatte, war nichts

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