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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gepackt.
    »Ich bin von zu Hause abgehauen«, sagte er und dann ließ er Heaven ein paar seiner Erinnerungen betrachten, ganz kurz nur. Schließlich erwähnte er Kelly, die Sozialarbeiterin. Und die anderen Sachen auch.
    »Ich habe niemanden, weil ich niemanden will«, gestand Heaven.
    »Warum?«
    »Du bist neugierig.«
    »Ich weiß.«
    Sie lächelte. Dann wurde sie ernst. »Meine Eltern liebten sich so, wie sich die Paare in den alten Filmen lieben.« Sie seufzte. »Auf den Fotos, die beide zeigen, hat mein Vater immer viel gelacht. Ich selbst hab ihn nie so erlebt. Er war nur selten zu Hause, als ich Kind war, aber wenn, dann hat er sich alle Zeit der Welt für mich genommen. Nur gelacht hat er nicht und ich habe das immer vermisst.« Sie fischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Wenn man sich verliebt, dann endet es immer mit einem Verlust, oder? Der eine verliert den anderen, irgendwann, immer. Deswegen will ich mich nicht verlieben. Eine kurze Beziehung, meinetwegen, Sex, ja.« Sie schaute weg, zum Fenster hinaus. »Aber jemanden richtig lieben . . .« Der Gedanke schien ihr nicht zu behagen. »Das ist nicht gut.«
    David dachte an die alten Fotografien, die jeder mit sich herumträgt. Sie sind an den Rändern zerfranst und bedeckt mit Rissen und braunen Flecken. Nur selten betrachtet mansie, doch insgeheim weiß man, dass sie alle Postkarten sind, die man nie mehr loswerden wird.
    »Lass uns gehen«, schlug David schließlich vor. Er ließ Heavens Hände nicht los, auch nicht dann, als sie sie halbherzig wegziehen wollte. »Allein sein ist nicht immer gut.«
    Aus den Lautsprechern erklang ein neuer Song:
Raven Star
von
Lunascape
.
    David sah auf.
    »Was hast du?«, fragte Heaven.
    »Das Lied«, antwortete David.
    »Was ist damit?«
    »Es erinnert mich an irgendwas. Aber ich weiß nicht, woran.«
    Sie lächelte.
    Dann verließen sie die Fitzroy Tavern. Und machten sich auf den Weg zum Friedhof.

9. Kapitel

Highgate Cemetery
    S ie nahmen den Bus bis zur Station Archway, nahe der Swain’s Lane. Es war ein alter Bus. Heaven saß am Fenster, das man zur Seite schieben konnte, sodass sie frische kalte Luft atmen konnte. Draußen zerfloss die Stadt in schnellen Farben, in Bewegungen und Lichtern.
    »Wir müssen zum Westteil des Friedhofs«, sagte Heaven, als sie ausstiegen.
    Das Hauptportal war noch geöffnet. Das viktorianische Gebäude, das wie ein Wächter mit hohlen Fensteraugen zur Straße blickte, erinnerte an den Eingang zu einem zerfallenen Palast, in dem noch immer verwunschene Wesen hausen mochten. Der Stein war überall verwittert und die schemenhaften Figuren, die sich aus dem Mauerwerk herausschälten, waren von Wind und Regen bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet worden.
    »Highgate Cemetery ist einer der Herrlichen Sieben«, erklärte Heaven, als sie dem Weg ins Innere folgten. »Die meisten Friedhöfe in der Stadt gehören zu einer bestimmten Kirche. Na ja, irgendwann reichte der Platz nicht mehr aus und man dachte, dass es eine gute Idee sei, sieben wirklich große Friedhöfe außerhalb der Stadt anzusiedeln.«
    »Woher weißt du so viel über Friedhöfe?«
    »Du meinst, warum weiß ich so viel darüber, obwohl ich sie doch meide wie die Pest?«
    Er nickte.
    »Leute, die keine Spinnen mögen, sind doch auch von ihnen fasziniert.«
    »Kann sein«, murmelte David.
    »Es gibt hier mehr als zweiundfünfzigtausend Gräber und sogar einen Tunnel zwischen den beiden Teilen des Friedhofs, dem Westteil, der 1839 erbaut wurde, und dem Ostteil, der erst fünfzehn Jahre später neu angelegt wurde. Der Tunnel verläuft unter der Swain’s Lane, weil die Anglikanische Kapelle sich im Westteil des Friedhofs befindet und man die Särge nicht über die Straße fahren wollte.«
    Heavens Schritte klapperten auf den Pflastersteinen. Sie trug immer noch Davids Sachen, nur ihre eigenen Schuhe hatte sie angezogen und die Absätze ihrer Stiefel klapperten auf den Steinen. Sie hatte ihr Haar hinter die Ohren gestrichen, aber einzelne Strähnen lösten sich immer wieder und rahmten ihr olivfarbenes Gesicht ein.
    Der Weg, den sie jetzt nahmen, war gewunden und an beiden Seiten wuchsen hohe Bäume in den Himmel. Es sah so aus, als habe man die Grabstätten mitten in einem Wald errichtet.
    Hoch oben am Nachthimmel, wo sich zerfetzte schmale Lücken in der grauen Wolkendecke aufgetan hatten, leuchteten die Sterne, denn Highgate war weit genug vom Zentrum Londons entfernt. Hier konnte man noch einen ordentlichen Himmel

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