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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Blick bemerkte. »Das ist eines der vielen Gesetze, die man kennenlernt, wenn man erst einmal gestorben ist.«
    »Warum können wir Sie sehen?«
    Sie lachte auf. »Na, weil ich es will.«
    »Sie sind also wirklich ein Geist?«, stellte Heaven fest.
    Sarah Jane musste lachen, was wie Schnee klang, der auf Tannen liegt. »Das hört sich ein wenig übertrieben an. Ich bin nichts. Nur das Echo, das noch immer im Wind weht, wenn jemand danach lauscht.« Dann verbesserte sie sich. »Aber, ja, man könnte auch sagen, dass ich ein Geist bin.«
    »Und was tun Sie im Grab meiner Eltern?«
    »Ich sagte es bereits«, erklärte sie geduldig. »Ich gehöre hierhin. Meine sterblichen Überreste wurden hier beigesetzt.«
    »Das verstehe ich nicht.« Heaven war sichtlich irritiert.
    »Das kannst du auch nicht verstehen.« Sarah Jane seufzte. »Dein Vater wollte es dir irgendwann erklären, aber dann ist er zu früh gestorben. Ich habe dich auf seiner Beerdigung gesehen. Ich habe die Leute belauscht, deswegen weiß ich, was passiert ist.« Sie deutete auf eine Stelle neben David, ein Stück weit vom Grab entfernt. »Damals hast du genau dort gestanden. Ich war ganz in der Nähe.«
    David versuchte sich die Trauergemeinde vorzustellen, wie sie alle hier an diesem Platz standen, Heaven ganz vorne, neben Mr Mickey oder Mr Sims, obwohl sie lieber ganz hinten gestanden und sich hinter den Büschen verborgen hätte. Das Grab war ein offenes Gähnen und feuchte Erde fiel polternd auf den Sarg.
    »Hast du keinen kalten Hauch gespürt?« Sarah Janes Augen waren kurz wie Nebel. »Etwas in der Art?« Sie zwinkerte Heaven zu. »Das spüren Menschen für gewöhnlich, wenn sie uns nicht sehen. Wenn du also etwas gespürt hast, dann war ich das.« Sie lächelte wohlwollend. »Aber wo hab ich meinen Kopf? Ich sollte die Geschichte lieber von vorne beginnen, nicht wahr? Eine Geschichte ist immer nur so gut wie ihr Anfang.«
    David zog eine Augenbraue hoch. »Und der Anfang ist wo genau?«, erkundigte er sich.
    »Bei mir. Ich bin Sarah Jane Cavendish«, stellte sie sich erneut vor. »Aus Chiswick.« Sie hielt kurz inne und wendetesich Heaven zu. »Ich habe diese Geschichte das letzte Mal deinem Vater erzählt.« Ihre Hand pflückte ein braunes Blatt von einem mageren Ast, der über dem Weg hing. »Es mag sein, dass ihr jetzt eine außergewöhnliche Geschichte erwartet, aber die kann ich euch nicht bieten.« Sie betrachtete das Blatt, ließ den Wind es mit sich nehmen. »Es ist nichts Spektakuläres geschehen, es war nur ein einziger falscher Moment, der mein Leben geändert hat.« Sie lachte traurig auf. »Ich könnte noch leben, wäre ich nicht so dumm gewesen.« Ihr Kleid wehte im kalten Wind. »Aber das hilft jetzt alles nichts mehr. Ich bin tot, seit mehr als siebzehn Jahren schon.«
    »Wann sind Sie gestorben?«, fragte David.
    »Am 24. November.« Sie nannte das Jahr.
    David schaute auf.
    »Eigentlich ist es schon fast achtzehn Jahre her«, sagte Sarah Jane und schüttelte den Kopf. »Wie die Zeit vergeht.«
    Heaven bemerkte erstaunt: »Das war der Tag vor meiner Geburt.«
    Sarah Jane nickte traurig. »Ich arbeitete bei Tesco als Kassiererin, in einer Filiale in Chiswick. Ich saß den ganzen Tag im Supermarkt an der Kasse und tippte die Preise ein.« Sie zuckte mit den Schultern. »Es hätte ein schlechteres Leben sein können.« In ihrem Seufzen klangen Erinnerungen an ein ganzes Leben mit. »Dann habe ich mich verliebt. Er hieß Ewan Noble. Er kam aus Hampstead Heath und er sah aus wie sein Name.« Sie lachte auf, das Eis auf ihrer Zunge zerbrach zu Splittern. »Er sprach mich an und wir gingen aus und es kam, wie es immer kommt, wenn man seinem Herzen folgt und so dumm ist, wie ich es war. Ich weiß noch genau,wie es sich anfühlte, als wir uns das erste Mal küssten. Es war in einem Hauseingang, drüben in Smithfield, er zog mich hinein, weil es regnete, und wir küssten uns und die Welt wurde hell.« Ihre matten Augen blinzelten müde. »Ich war nie besonders klug, schon als Kind nicht. Aber nett, ja, richtig nett. Die liebe, nette kleine Sarah Jane, die sich Mühe gab, alles richtig zu machen. Nie hätte ich gedacht, dass jemand wie Ewan Noble sich in mich verlieben könnte.« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Wie dumm ich war. Wie dumm, wie dumm, wie dumm.« Sie begann um das Grab herumzulaufen oder vielmehr zu schweben, sanft und leicht. »Ich glaubte alles, was er sagte, alles, was er mir versprach, und ich dachte an eine Hochzeit und

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