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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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neu?«
    »Hab ’se noch nich’ angerührt.«
    »Der Verschluss sieht okay aus«, sagte Heaven.
    David fragte sich, was das sollte.
    Der Penner wirkte misstrauisch. »Willste’n Schluck?« Man konnte nicht erkennen, was für ein Gebräu in der Flasche steckte, weil sie in braunes Papier eingewickelt war.
    »Zehn Pfund für die Flasche.« Heaven hielt ihm den Schein hin.
    »Alles in Ordnung?«, fragte David jetzt.
    Sie beachtete ihn nicht. Der Penner wirkte misstrauisch.
    Heaven sagte ungeduldig: »Ich zahle zehn Pfund für den Fusel.« Sie betonte den Betrag erneut: »Zehn Pfund.« Und wedelte mit dem Schein in der Luft herum.
    Der Penner brauchte nicht lange, um seine Zweifel abzulegen. Flasche und Schein wechselten den Besitzer.
    »Hast ’ne nette Freundin«, sagte der Penner zu David. »Aber so’n junges Mädch’n sollt nich sauf’n.«
    »Weiß ich«, sagte David.
    Doch Heaven war schon weitergegangen.
    David lief ihr hinterher. Sie schraubte die Flasche auf, setzte sie an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Hey«, rief David. Sie drehte sich nicht um, ging zielstrebig auf einen der Steinlöwen zu.
    »Was soll der Blödsinn?«
    Sie blieb vor einem der Steinlöwen stehen und setzte erneut die Flasche an. Angewidert verzog sie das Gesicht. »Scheiße, das ist wirklich fieses Zeug«, fluchte sie und trank erneut.
    David war jetzt bei ihr. »Warum tust du das?«
    »Hast du jemals auf den Löwen getanzt?«
    Er erinnerte sich an die Fotos von ihr und ihren Freunden, die er im Internet gesehen hatte.
    »Nein.«
    »Aber ich.«
    »Hm.«
    »Und weißt du, was das Tolle daran war?«
    »Du wirst es mir sagen, denke ich.« Ihm war klar, dass er ungeduldig klang, und er wusste, dass ihr das nicht gefiel.
    »Ich war so verdammt scheißnormal, als ich das getan habe.« Sie lachte laut auf. »Nur eine Schülerin, die Freundinnen hatte, wie jeder andere auch.« Sie sah ihn an und David erkannte, dass sie weinte. »Verdammt, sieh mich jetzt an. Mein Leben ist ein Scherbenhaufen. Mein Vater hat mir Zeit seines Lebens verschwiegen, dass meine Mutter nach meiner Geburt spurlos verschwunden ist. Das überlässt er lieber dem Geist der Frau, die er stattdessen begraben hat. Ich spüre kein Herz in mir. Wer weiß, wie lange ich so noch leben kann? Und irgendetwas sagt mir, dass Mr Heep wieder auftauchen wird, dann wahrscheinlich als Mr Creakle.« Sie trat näher an den Löwen heran und starrte ihm ins Gesicht.Dann schrie sie aus Leibeskräften. Stand einfach nur und schrie, so laut, dass selbst die Nacht erbebte. Es war ein lauter Schrei, tief und guttural, voller Wut und Verzweiflung, voller Unsicherheit und Angst. »Ich will nicht mehr!«, schrie sie. Dann warf sie die Flasche mit aller Kraft dem Steinlöwen an den Kopf, als sei er an allem schuld. »Ich habe die Schnauze voll, verstehst du das?« Dem Löwen lief jetzt billiger Fusel über die Schnauze. Sie spuckte auf den Boden, hustete, rieb sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Ist das denn so schwer? Einfach nur normal zu sein . . .«
    David trat hinter sie, legte seine Arme um sie und versuchte, sie festzuhalten, aber als er spürte, wie steif sie sich machte, löste er sich von ihr.
    »Ich kann so nicht weitermachen«, flüsterte sie.
    »Heaven«, sagte er. Sonst nichts.
    »Ich will mein Leben zurück.«
    »Wir werden einen Weg finden«, versprach er.
    »Glaubst du wirklich?«
    »Ja.« Manchmal, dachte David, musste man in Momenten wie diesem einfach lügen.
    Heaven drehte sich um, betrachtete den Löwen. »Tut mir leid«, flüsterte sie ihm zu.
    Dann ging sie weiter und David folgte ihr.
    Nebeneinander stiegen sie die Treppen hinauf, ließen die Nationalgalerie zur Linken liegen und gingen die Charing Cross Road hinauf. Schweigsam liefen sie durch all die Straßen, die weiß vom Schnee geworden waren.
    Die Stille, die Schnee immer mit sich bringt, hatte sich über die Stadt gelegt, ein helles Tuch, das sogar laute Töne nur flüsterte. Der Nachthimmel fehlte noch immer überdiesem Teil Londons. David musste an die Geschichte denken, die Sarah Jane ihnen erzählt hatte, und daran, was an dem Tag passiert war, als Heaven geboren war und ihre Mutter verschwand.
    Er schaute sie von der Seite an und widerstand dem Drang, sie in den Arm zu nehmen. Er wusste, dass sie es nicht wollte, nicht jetzt. Dieser Kuss in der Gruft, so schnell und überraschend er gekommen war, hatte sie beide verstört. Dennoch – er war noch immer da und nichts würde ihn wirklich ungeschehen

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