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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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keine Frage.
    »Es ging mir nicht gut, als ich hierherkam.«
    Heaven nickte und ließ seinen Blick nicht los.
    »Ich war unzufrieden, allein, unglücklich, wütend, hatte ein schlechtes Gewissen, alles gleichzeitig.«Er dachte ungern an diese Zeit zurück, auch wenn es noch nicht sehr lange her war. »Ich hab ein paar Dinge gemacht, auf die ich nicht unbedingt stolz bin.«
    »Und?«
    »Miss Trodwood nahm mich eines Tages beiseite. Ich war noch nicht lange bei ihr, hatte gerade die Neuerscheinungen einsortiert. Sie bot mir einen Tee an und dann erzählte sie mir ihre Geschichte.«
    »Du machst mich neugierig.«
    »Zuerst wusste ich gar nicht, was sie von mir wollte. Sie ist von einer Tante aufgezogen worden, irgendwo auf dem Land in der Nähe von Dover. Über ihre Eltern hat sie kein einziges Wort verloren.«Er zögerte. »Im Grunde genommen kam es mir wie in dem Buch vor, wie in Große Erwartungen. Stell dir ein kleines Mädchen vor, dass dazu erzogen wird, so begehrenswert und entzückend zu sein, dass jeder es einfach nur lieben muss. Das Mädchen wächst auf dem Land auf, in einem großen Haus, allein und abgeschieden, mit vielen Spiegeln und noch mehr Büchern in einer alten Bibliothek, die außer ihr niemand benutzt. Die Jahre vergehen. Die seltsame Tante stirbt irgendwann, das Mädchen wird zur Frau und geht nach London. Dort hat sie viele Liebschaften und bricht all die Herzen, die ihr zu Füßen liegen. Sie kann sich nicht ändern, weil ihr nicht bewusst ist, dass sie sich ändern muss. Das, was sie tut, ist das, was man ihr beigebracht hat. Sie hat gelernt, wie man ein Leben ohne Liebe leben kann.«Er hielt inne, sah die Nacht in Heavens Augen funkeln. »Doch dann passiert etwas«fuhr er fort. »Sie lernt jemanden kennen, der alles für sie tut. Sie wollen heiraten, nachdem sie den Laden eröffnet hat. Doch zur Eröffnung des Buchladens kommt er nicht.«
    »Hat sie seinen Namen genannt?«
    »Nicht seinen richtigen. Sie hat ihn immer nur Pip genannt.«
    Heaven hörte David zu.
    »Die Gäste waren geladen, alles lief wie geschmiert. Doch dann kam die Nachricht, dass Pip gestorben war. Ein Wagen hatte ihn angefahren, auf der Edgeware Road.«
    »Woher wusste ich, dass die Geschichte traurig endet?«
    »An jenem Abend, nach der Eröffnung, hat Miss Trodwood sich geschworen, den Rest ihres Lebens an diesem Ort zu verbringen.«
    »Das hat sie dir alles erzählt?«
    »Ja.«
    »Hat sie ihn geliebt?«
    »Das hat sie mir nicht gesagt.«
    »Eine seltsame Geschichte.«
    »Dann hat sie mir das Buch gegeben.«
    »Große Erwartungen.«
    »Ja. Sie hat mir erklärt, dass Dickens das wirkliche Leben erkannt hat. Ich sollte es lesen und auf diese Weise die Menschen kennenlernen.« David zögerte. Bis heute war er sich immer noch nicht sicher, ob er Miss Trodwood richtig verstanden hatte. »Ich solle mich in Acht nehmen, hat sie gesagt. Das Leben sei unberechenbar. Und niemand kann für immer eine Rolle spielen. Irgendwann fällt jede Maske. Und wenn sie gefallen ist, dann muss man in den Spiegel schauen und dem standhalten, was man dort sieht. So einfach sei es. Daran sollte ich immer denken.«
    »Hat es dir geholfen?«
    Er zuckte die Achseln. »Na ja, ich wusste von da an zumindest, warum sie Männern gegenüber immer ein wenig komisch ist.«
    »Warum hat sie dich aufgenommen?«
    »Vielleicht will sie etwas gutmachen in ihrem Leben, wer weiß? Vielleicht will sie einfach nur helfen. Vielleicht war sie auch nur allein.«
    Heaven nickte.»Ich kann sie verstehen.«
    »Wegen deinen Eltern?«
    »Ja.«
    David erinnerte sich an ihre Worte. »Glaubst du, was Sarah Jane erzählt hat?«
    »Ja.«
    David schwieg, dann sagte er: »Ich auch.«
    »Wir wollten doch nicht darüber sprechen.« Ihre Stimme klang rau, brüchig.
    »Tut mir leid.«
    »Schon gut.«
    Er drehte sich auf den Rücken und jetzt stützte sie sich auf den Ellenbogen auf und blickte forschend in sein Gesicht. »Was ist mit dir?«
    Er ahnte, dass sie die anderen Postkarten betrachten wollte. Diejenigen, die er ihr noch nicht gezeigt hatte.
    Er holte tief Luft.»Abgesehen von dem, was du schon weißt?«Sein Atem war feiner Nebel vor dem Gesicht.
    Sie nickte.
    »Was mit meiner Mutter ist, weißt du ja schon. Aber was es irgendwie noch schlimmer machte, war mein Vater. Wie er damit umging. Was er von mir verlangte.«
    Sie schaute ihn an.
    »Er arbeitet am Hafen.«Das war immerhin ein Anfang. »Er ist ein großer Mann, der gerne Dinge repariert. Das ist alles, was ihn

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