Heaven - Stadt der Feen
unausstehlich sein, wenn ich nicht gleich ins Bett komme.« Sie ging zur Tür und schloss sie ab, spähte durchs Fenster nach draußen.»Oh, dieses verrückte Wetter«murmelte sie.»Schnee im November.«Und dann:»Sieht nicht so aus, als würde euch jemand folgen.«Ihr Blick stellte klar, dass sie nicht blind und taub war und sehr wohl ahnte, in welche Schwierigkeiten die beiden geraten waren.»Gute Nacht, Heaven, David.« Sie ging zur Treppe. Eine letzte Warnung musste sie dennoch loswerden.»Und dass ihr mir keine unanständigen Sachen macht da oben.«
David und Heaven tauschten einen Blick.
»Nein, bestimmt nicht.«Davids Stimme klang erstickt, aber Heaven hatte sich etwas besser im Griff.
»Versprochen.«
»Gut so, gut so.«Mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen verschwand Miss Trodwood hinter dem Vorhang.»Morgen früh werde ich wie tot sein, wenn ich nicht noch ein paar Stunden Schlaf bekomme.«Ihre Stimme entfernte sich mehr und mehr und die Treppenstufen knarrten bei jedemihrer Schritte. Dann war da das Geräusch einer zuschlagenden Tür, weiter oben. Irgendwo im Haus erklang eine Toilettenspülung, dann kehrte Ruhe ein.
David stand noch immer neben dem Sessel und betrachtete das Buch, das Miss Trodwood auf dem Tisch liegen gelassen hatte.
»Sie mag Dickens?«fragte Heaven.
»Nicht verwunderlich, oder?«
Heaven gähnte unwillkürlich.
»Lass uns nach oben gehen«schlug David vor. Er grinste. »Aber . . .«
Sie brach in Lachen aus und David dachte, dass sie das viel zu selten tat. ». . . keine unanständigen Sachen da oben«brachte sie den Satz zu Ende.
Heaven kicherte noch immer, als sie nach oben gingen, für einen Moment klang sie so, als würde keine Sorge der Welt ihre Stimmung trüben können, aber gleich darauf merkte David, wie sie wieder verstummte und ihr Atem keuchender ging. Die Luft im Treppenhaus war für sie einfach zu warm und zu stickig.
Oben verschwand sie im Bad und kam erst nach einer halben Stunde wieder heraus. Sie trug ein altes T-Shirt und Boxershorts von David, die gleichen Sachen wie vorige Nacht, und wirkte erschöpft und müde.
»Ich habe keinen Pyjama auf dem Boot gefunden«bemerkte David.
»Ich trag lieber deine Sachen«antwortete sie.
David hatte bereits das Fenster geöffnet. Eisige Luft strömte ins Zimmer und ein paar verirrte Schneeflocken setzten sich auf die Möbel.
»Kalt genug?«erkundigte sich David. Er trug immer noch Jacke und Schal.
Sie nickte. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Nur zu.«
»Eigentlich ist es eine Bitte.«Sie stand vor ihm. »Kannst du bei mir bleiben?«
Er nickte nur.
»Trotz der Kälte?«
Demonstrativ schlug er den Kragen hoch.
Heaven schlüpfte ins Bett.
David verschwand ins Bad. Als er zurückkam, zog er über sein T-Shirt einen dicken Pullover, dann legte er sich zu ihr unter die Decke.
»Jetzt würde ich gerne einige Sterne sehen«flüsterte Heaven. »Wie auf den Dächern. Dort fühle ich mich immer frei, egal, was am Tag passiert ist. Losgelöst von der Welt, in der ich lebe.«
David wusste nur zu gut, was sie meinte. »Man hat das Gefühl zu fliegen, obwohl man es nicht tut.«
Beide beobachteten sie dieselbe Schneeflocke. Sie schwebte durchs Fenster und landete auf den Dielen, verharrte dort.
»Willst du reden?«flüsterte David.
»Nein.«Sie starrte aus dem Fenster. »Jedenfalls nicht über das, was wir erfahren haben. Nicht jetzt.«
»Ist gut.«David sah zur Decke hinauf. Schließlich fragte er leise: »Kennst du Große Erwartungen?«
»Natürlich.«
»Miss Trodwood mag dieses Buch«, sagte David und blickte nach draußen.
»Sie liest es immer und immer wieder.
Sie hat sogar mir aufgetragen, es zu lesen. Kein Buch, sagt sie, bereite einen besser auf das wirkliche Leben vor als dieses.«Plötzlich wusste David, dass er Heaven alles erzählen wollte, was sein Leben ausmachte. Über seine Wohltäterin zu reden, schien ein Anfang zu sein.
»Du magst sie sehr, oder?«
David nickte.
»Kennst du ihre Geschichte?«flüsterte sie.
»Miss Trodwood . . .«Er drehte sich auf die Seite, stützte sich auf den Ellenbogen und sah Heaven an. »Sie lebt schon sehr lange allein in diesem Haus. Nur ein einziges Mal hat sie mir von dem erzählt, wie sie hierhergekommen ist. Der letzte Tag in ihrem Leben, so hat sie es genannt.«
»Das klingt traurig.«
»Ich glaube, sie hat mir nur davon erzählt, weil sie wusste, dass ich mein Leben nicht in den Griff bekomme.«
Sie legte ihren Kopf zur Seite, aber sie stellte
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