Heaven - Stadt der Feen
huschte die alles entscheidende Szene aus
Der Mann, der zu viel wusste
über die Leinwand, unterlegt von der Musik einer Band namens
The Dresden Dolls
.
Was zu viel war, war zu viel.
Die Luft draußen war klar und eiskalt. Schneeflocken wehten wieder in der Luft, tanzten die Straße entlang. David achtete nicht darauf, zu viel hatten sie erfahren, was ihm Sorgen machte.
»Lass uns ein Stück gehen«, schlug Heaven vor.
»Welche Richtung?«
»Ist doch egal.«
Also gingen sie westwärts.
»Ich habe auch etwas herausgefunden«, sagte sie.
David vergrub die Hände in den Taschen. Sie hatten bisher nicht darüber gesprochen, was Heaven beim Meldeamt erfahren hatte, aber David wusste, dass sie im Netz genau dieser Frage nachgegangen war.
»Wonach hast du gesucht?«, fragte er.
»Nach Menschen, die sich nach ihrem Tod in Luft auflösen. Nach Löchern im Himmel. Nach verlorenen Herzen.«
»Und?« Er schaute auf die schmale, schwarz gekleidete Gestalt neben sich. In den dunklen Haaren hatten sich Schneeflocken festgesetzt, die nicht schmolzen. Wie kleine Sterne leuchteten sie dort.
Sie zuckte die Achseln.«Was glaubst du, worauf ich bei diesen Schlagwörtern gestoßen bin?«
»Auf ein Märchen?«, tippte er.
Sie nickte. »Treffer«, sagte sie knapp.
»Wie meinst du das?«
»Wie ich es sage. Jemand hat es aufgeschrieben, das Problem ist nur, dass es genauso verschwunden ist wie mein Herz.«
»Klingt es blöd, wenn ich zugebe, dass ich nun gar nichts mehr kapiere?«, erkundigte er sich und zog eine Augenbraue hoch.
Sie lachte. »Ziemlich blöd. Aber ich weihe dich trotzdem ein.« Sie wurde wieder ernst. »Okay, am Anfang bin ich auf einen Namen gestoßen. Immer wieder tauchte er auf, meistens nur in den Randnotizen, aber dieser Name war die einzigeGemeinsamkeit bei den vielen Links. Außerdem war von einem alten Buch die Rede, das sich wohl mit dem Thema beschäftigt. Der Autor war ein gewisser Earl of Rochester. Das Buch heißt
The fallen Fairy’s Heart
.«
David sah sie verwundert an. »Ich kenne nur gefallene Engel, keine gefallenen Feen.«
»Geht mir genauso.«
»Und was steht in diesem Buch? Dein Märchen?«
»Das ist ja genau das Problem. Das Buch existiert nirgends mehr.«
David runzelte die Stirn. Seit er Miss Trodwood kannte, wusste er, dass Bücher nicht einfach verschwanden. Man musste sie nur aufstöbern. »Irgendwo muss es doch noch eins geben.«
Sie schüttelte den Kopf, energisch. »Es gibt keine Hinweise darauf, wo genau es erschienen ist. Kein einziger Online-Buchhändler hatte es jemals in seinem Programm. Die einzigen Hinweise fand ich im Katalog der Nationalbibliothek.« Ihre Augen leuchteten auf. »Die hatten es einmal im Bestand gehabt, vor vielen Jahren. Und es war eine Widmung angegeben: Eine wahre Geschichte, erfunden für Claire.«
»Claire?«
Sie bestätigte den Namen: »Genau.«
»Wer ist Claire?«
»Steht vermutlich im Buch.«
»Was nicht auffindbar ist.« Er stöhnte.
»Ich hab weitergesucht, nach Claire und dem Earl von Rochester«, sagte sie. »John Wilmot, Earl von Rochester, lebte im siebzehnten Jahrhundert und wurde für seine zügellosen und recht unsittlichen Gedichte berühmt.«
David sah sie von der Seite aus an. »Unsittliche Gedichte? Höchst aufschlussreich.«
»Du hast gefragt«, entgegnete sie und ein belustigtes Funkeln erhellte ihre Augen. »Wie auch immer, interessant ist etwas völlig anderes.« Sie machte eine kurze Pause. »Er war ein Lebemann und darüber hinaus ein bekannter Weiberheld, eine ziemlich extravagante Persönlichkeit. Er kämpfte im zweiten holländischen Krieg, glänzte durch einige Heldentaten, fiel dann aber bei König Charles dem II. in Ungnade. Er kidnappte die Erbin eines sehr reichen Hauses, Elizabeth Malet, die er später dann sogar heiratete. Nach der Hochzeit wurde es schließlich ruhig um ihn. Doch dann, zwei Jahre vor seinem Tod, reiste der Earl durch Spanien und Portugal. Auf einer Insel, so heißt es, traf er eine Frau, die wunderschön war.«
»Und seine Ehefrau?«
»Erfuhr nichts von alledem. Oder billigte es, keine Ahnung.«
»Tja, seltsame Zeiten.«
Heaven fuhr fort: »In den Briefen, die er geschrieben hat, bezeichnet er diese Spanierin als Lady Claire.«
»Und was hat das mit uns zu tun?«
»Lady Claire verschwand eines Tages. Spurlos.« Heaven begegnete seinem Blick. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie an ihre Mutter dachte. »Der Earl war untröstlich. Er hat in seinen Briefen, die er niemals
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