Heaven - Stadt der Feen
gesorgt, dass sein Buch vernichtet wurde. Angeblich reiste er die letzten beiden Jahre seines Lebens quer durch Europa und vernichtete jedes Exemplar, das er in die Finger bekam.«
»Aber wieso?«
»Keine Ahnung.« Sie fuhr fort: »Vielleicht hat er gewusst, was es mit dem verloren gegangenen Taghimmel auf sich hat.«
David sah die vielen Menschen, die den Piccadilly Circus bevölkerten. Er schlug einen anderen Weg ein, nordwärts in die Great Windmill Street, wo es ruhiger war als in der Shaftesbury Avenue. »Er hat es wirklich geschafft, alle Exemplare des Buches zu vernichten?«
Sie nickte. »Das steht zumindest überall geschrieben.«
David blieb stehen. Seine Augen leuchteten unternehmungslustig auf. »Miss Trodwood«, sagte er und schnippte mit den Fingern, als wäre das die Antwort auf alle ihre Fragen. »Sie spürt jedes Buch auf. Wir müssen sie fragen.«
»Wie lange dauert das?«
David überlegte. »Kommt darauf an«, sagte er zögernd. Miss Trodwood hatte ihre eigenen Methoden, verloren gegangene Bücher aufzustöbern. Sie tat es auf ganz eigene Art, mit ihrem altmodischen Telefon und manchmal, ganz selten, auf Reisen, die sie stets mit der Eisenbahn unternahm, nie mit dem Flugzeug.
Der Vorteil war, sie wurde immer fündig. Der Nachteil war, dass es meist dauerte.
Das sagte er Heaven.
Sie blieb stehen und David konnte die Verzweiflung auf ihrem Gesicht erkennen. »Wenn das so ist, hätten wir uns das Ganze eigentlich sparen können, oder?«, sagte sie. »All diese Hinweise auf Serienmörder, Bodysnatcher, merkwürdige Earls und verschwundene Mittelmeerschönheiten, das ist doch gequirlte Kacke!« Sie schnaubte. »Gebracht hat dasuns nichts. Wir sind genauso schlau wie vorher. Wir haben nicht den blassesten Schimmer, wie wir mein Herz finden können.« Sie sah aus, als würde sie am liebsten gegen etwas treten, aber das Einzige, was sich in ihrer Nähe befand, war eine freundliche ältere Lady mit ihrem braun-weiß gefleckten Beagle an der Leine, der sie mit treuherzigen Augen ansah und heftig mit dem Schwanz wedelte. Heaven betrachtete den kleinen Kerl für einen Moment, dann stöhnte sie auf. »Scheiße, ich hab es so satt, David.«
David überlegte fieberhaft. Er wollte nicht aufgeben, nicht jetzt, nachdem sie so viel erfahren hatten. Er spürte, dass sie nahe dran waren, aber Heaven hatte recht, das, was sie bisher wussten, half ihnen nicht weiter. Das Buch schien der Schlüssel zu sein. Es musste doch eine Möglichkeit geben, an das verdammte Ding heranzukommen!
»Was ist mit Mr Merryweather?«, sagte er plötzlich. »Er kennt alle Geschichten dieser Welt. Und manchmal besitzt er sie auch.«
Heaven hob den Kopf. »Meinst du?«, fragte sie und in ihrer Stimme schwang wieder ein bisschen Hoffnung mit.
David nickte und hob den Blick hinauf zu den Dächern. Das war der schnellste Weg nach Kensington.
Heaven nickte, doch sie zögerte noch einen Moment. »David, ich hab nicht mehr viel Zeit«, flüsterte sie. »Was immer da in mir ist, was mich am Leben erhält, es wird nicht ewig so weitergehen.«
David legte den Arm um ihre Schulter. »Ich weiß.« Was hätte er sonst sagen sollen? »Lass uns zu Merryweather gehen. Wir müssen es zumindest versuchen.« Seine Augen aber sagten: Wir haben nichts zu verlieren. Und Heaven, dieseinem Blick stumm standhielt, wisperte wortlos, verzweifelt und mit Augen, die dunkel waren wie die Nacht: Außer uns, David.
Dann zog er sie mit sich, durch den nächsten Hauseingang und lange Treppen hinauf, weiter und weiter, und sie liefen schnell wie der Wind, der von Norden herkam, über die schrägen und verwinkelten Dächer der Stadt, die frei von Menschen und kalt wie Eis und Schnee waren.
Es war wie Fliegen und es war wie Träumen. Und es gehörte ihnen allein.
Drittes Zwischenspiel
Der Besuch
E s war ruhig in dem großen Haus in Richmond. Mr Mickey befand sich in der geräumigen Küche und trank schwarzen Tee. Während der letzten Stunden hatte Mickey Jones viel über Heaven nachgedacht.
Sie war ein stilles Kind gewesen und Jonathan Mirrlees hatte sie geliebt. Als sie älter geworden war, da hatte sie niemand mehr anbinden können. Sie war durch die Stadt gestreift, doch da es in der Schule keine Probleme gegeben hatte, war es Jonathan egal gewesen. Die Mutter hatte ihr gefehlt, doch Jonathan war immer voll der Zuversicht gewesen.
»Sie muss ihren Weg finden, Mickey«, hatte er zu sagen gepflegt.
Mr Jones vermisste Heavens Vater noch immer. Er war ein
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