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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Atemzüge. Mr Merryweather blickte von ihr zur David, doch er gab keinen Kommentar ab.
    David blieb sitzen. Er erinnerte sich daran, was sie über River Mirrlees erfahren hatte, und daran, wann Heaven geboren war. Es passte alles zusammen. Er schaute sie an, wie sie da am Fenster lehnte und verzweifelt Luft zu holen versuchte, und alles in ihm schrie, zu ihr zu gehen. Doch er tat es nicht. Er wusste, dass sie in diesem Moment für sich sein musste.
    »In Rochesters Geschichte«, erzählte Mr Merryweather weiter, »ist es der Edelmann, dessen Hilfe sie benötigt. Lady Hope bittet den Edelmann, ihr das Leben zu nehmen, um ihrer Liebe willen.«
    Heaven drehte sich um. Ihre olivfarbene Haut war grau geworden, die Augen lagen in tiefen Höhlen.
    »Wie geht es aus?«, fragte sie, nein, sie fragte es nicht, sie schrie es fast. »Bitte, wie geht es aus?«
    Mr Merryweather blieb ruhig. Heavens Verhalten, so unhöflich es war, schien ihn nicht weiter zu stören.
    »Lady Hope kehrt in ihre Heimat zurück. Die beiden, sie und der Edelmann, verzichten auf ihre Liebe und erhalten dafür den Himmel. Denn das verspricht sie ihm am Ende: Dass ihr Herz aufsteigen wird, nach ihrem Tod, hoch hinauf,wo ihre Familie lebt, und dass der Himmel, der seit so langer Zeit verschwunden ist, zurückkehrt.«
    »Als meine Mutter starb«, flüsterte Heaven mit brüchiger Stimme, »da kehrte ein Teil des Nachthimmels wieder dorthin zurück, wo er gewesen war.« Das war an jenem 25. November geschehen, als River Mirrlees verschwand und Jonathan den Leichnam von Sarah Jane als den seiner Frau ausgab, um Komplikationen mit den Behörden zu vermeiden.
    Heaven holte Luft, rasselnd. »Aber nicht der ganze Himmel kehrte zurück, sondern nur ein Stück.« Der Wind rüttelte draußen an den Fensterläden und fegte durch die Küche. »Warum?« Sie gab sich selbst die Antwort. »Weil ich hier bin. Weil ein Teil des Herzens meiner Mutter in mir weiterlebt. Sie hat es an mich weitergegeben und es ist in mir gewachsen, all die Jahre lang. Deswegen lebe ich.«
    Ihr Blick suchte Davids und sie hielten sich für einen Moment fest.
    Mr Merryweather musterte sie neugierig. »Wenn das stimmt, dann war deine Mutter eine Fee.« Kein Anzeichen von Humor. »Nach Rochesters Geschichte zu urteilen, jedenfalls, ja, so müsste es sein.«
    »Und was bin dann ich?«, fragte Heaven voller Verzweiflung. »Was ist diese Leere, diese Kälte in mir? Das bin doch nicht ich, war ich nie!«
    David spürte, wie sein Verstand raste. All die Puzzlestücke, die sie bisher aufgelesen hatten, wirbelten durcheinander.
    »Deswegen sind sie hinter dir her«, flüsterte er. »Sie wollen nicht dich, sondern das, was dich am Leben erhält.« Erzögerte. »Sie wollen das Herz, das deine Mutter dir hinterlassen hat. Das hat Mr Heep gemeint.«
    »Aber wozu?«
    Mr Merryweather zuckte die Achseln. »Das kann ich euch nicht sagen. Doch die Geschichte kann ich noch zu Ende erzählen.«
    David und Heaven nickten, sie taten es automatisch, zu verstört, um etwas zu erwidern.
    »Sie sind also beide auf der Insel angekommen«, begann Mr Merryweather mit dem Anfang vom Ende. »Ein letztes Mal tanzen der Edelmann und Lady Hope miteinander. Dann gibt er ihr einen Becher mit vergiftetem Wein. Sie trinkt ihn aus und dann stirbt sie in seinen Armen. Der Edelmann ist voll des Grams. Und als das Leben sie verlässt, da löst sich der Körper, den er in den Armen hält, einfach auf, in etwas, das wie das Schimmern gesungener Träume ist und vom Wind emporgehoben wird.« Er paffte zwei Ringe in die Luft. »Und Hope? Sie steigt wirklich zum Himmel empor. Die Wolken brechen auf und dort, wo die Lücke am Firmament gewesen war, ist wieder der Himmel des Tages zu sehen.« Er seufzte, betont laut und betont lang gezogen. »Das ist das Ende der Geschichte. Ein besseres hat Rochester nicht erfunden.«
    Die Musik im Radio verebbte. Der Nachrichten-Jingle der BBC erklang.
    Wie verrückt konnte die Welt sein?
    War River Mirrlees ein Stück Himmel gewesen, das auf London gestürzt und zu einer Frau geworden war? Einer Frau, die sich verliebt und ein Kind mit einem Menschen gezeugt hatte? War River Mirrlees wirklich eine Fee gewesen,die nach der Geburt ihrer Tochter ans Firmament heimgekehrt war?
    David rieb sich müde die Augen.
    Es klang alles einleuchtend und doch . . .
    Heaven lehnte sich noch immer gegen das Küchenfenster und sog die eisig kalte Luft, die von draußen hereinströmte, verzweifelt auf. »Was kann jemand mit

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