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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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Frauen wurden immer als schwach dargestellt, deshalb hingen zu der Zeit die meisten einem subkulturellen Ideal von Jungshaftigkeit an. Man wollte tough wirken, nicht zimperlich. Heute kommt einem auch das wie eine weitere Form von Frauenfeindlichkeit vor, aber damals war es die richtige Art, gegen den Mainstream zu rebellieren. Also machte ich es wie der kleine Junge, der an die Schminktasche seiner Mutter geht und ihre Kleider überwirft, wenn niemand zu Hause ist. Ich toupierte mir die Haare, machte mir glamouröse Frisuren und bürstete alles wieder raus, bevor wir aus dem Haus gingen.
    Ich war eine Klemm-Femme – und ich war nicht die einzige! In der Lesbenszene lässt sich das ständig beobachten, es gibt viele Butches, aus denen plötzlich Femmes werden. Erst neulich habe ich wieder ein Mädchen gesehen, das sich im Verlauf weniger Jahre total verändert hat. Sie arbeitet als Kellnerin und war früher extrem butch. In weniger als zwei Jahren hat sie sich die Haare lang wachsen lassen und geht jetzt ohne Lippenstift nicht mehr aus dem Haus. Eigentlich ist das toll, wenn man sieht, wie jemand zu sich selbst findet. Ich frage mich, ob auch mir jemand heimlich dabei zuschaute, wie ich meine falsche, jungshafte Persönlichkeit Stück für Stück ablegte und mein wahres weibliches Ich zur Geltung kommen ließ, meine Haare täglich höher toupierte und mit reichlich Haarspray in Form brachte. Vom Lipgloss kam ich zum Lippenstift und von da zum mehrschichtig aufgetragenen Lippenstift, von der Wimperntusche zum Eyeliner und anschließend zum Lidschatten.
    Obwohl wir nicht so recht zueinanderpassten und sie vielleicht glücklicher mit mir gewesen wäre, wenn ich männlicher gewesen wäre, war die Zeit mit Melanie aufregend. Sie war gerade mal einundzwanzig, wusste aber genau, was sie wollte. Sie sprach häufig von Babys. Ich meinte: »Babys? Oje.« Ich wollte nicht, was sie wollte. Jedes Mal, wenn ich mich verabschiedete, um auf Tour zu gehen, war sie traurig. Es gefiel ihr nicht, wenn ich Partys besuchte. Ich war erst neunzehn Jahre alt, frisch aus Arkansas angereist und wollte gar nichts anderes machen, als möglichst viele Partys besuchen. Ich wollte raus in die Welt und Spaß haben. Melanie war wirklich reizend, aber sie hatte andere Pläne als ich und nahm diese sehr ernst.
    Das Ende zwischen mir und Melanie war wirklich traurig. Ich betrog sie. Ich machte mit ihrer besten Freundin Kristin herum. Wir trennten uns und kamen wenig später wieder zusammen, aber es war nicht mehr dasselbe. Beide fingen wir an, mit anderen auszugehen.
    Ich traf mich immer häufiger mit Freddie, was sehr romantisch war, wenn auch kompliziert wegen meiner sterbenden Beziehung zu Melanie. Freddie lernte ich bei einem Konzert von Gossip kennen. Er stand ganz vorne und lenkte mich so sehr ab, dass ich rüber auf die andere Seite der Bühne gehen musste. Freddie ist ein Junge. Ich hatte einige männliche Mädchen kennengelernt, echte Wildfänge, die auf ganz natürliche Weise maskulin wirkten, aber Freddie war anders. Er ist transsexuell. Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten, eine Geschlechtsumwandlung anzugehen. Einige lassen sich vollständig umoperieren, um ihrem wahren Geschlecht physisch so weit wie möglich zu entsprechen. Viele können sich das aber nicht leisten oder halten es nicht für nötig. Freddie hielt sich wirklich für einen Jungen, deshalb brauchte er keine Ärzte und keine Operationen, um wie einer auszusehen. Aber mir steht es nicht zu, Freddies Persönlichkeit, und damit seine sexuelle Identität, zu definieren. Ich wusste nur, dass Freddie sehr verträumt war. Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich ihn sah.
    Ich war noch mit Melanie zusammen, als Freddie sich mit mir verabreden wollte. Die ganze komplizierte Verabredungspolitik war für mich neu und verwirrend. Ich wusste nicht, was der Unterschied zwischen einem platonischen Treffen und einem romantischen Date war. Er fragte mich, ob wir was zusammen unternehmen wollten, und ich meinte: »Ja klar, lass uns was machen.« Ich wusste nicht, dass er all meine Freunde über mich ausgefragt hatte und unsicher war, ob er sich mit mir verabreden sollte. Die Situation mit Melanie war für alle verwirrend. Ich bin sicher, dass sich vorher noch nie jemand in mich verknallt hatte. Meistens war ich diejenige gewesen, die zuerst gefragt hatte, und jetzt wollte Freddie

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