Heavy Metal (German Edition)
Wenisch stand an der Tür, die Klinke in der Hand.
„Sagen Sie, Probleme in der Schule hatte Anna aber nicht, oder?“
Wenisch schüttelte den Kopf. „Nein, im Gegenteil. Was das anging waren wir immer sehr stolz. Deswegen hatte sie auch viele Freiheiten.“
Melancholie schwang in seiner Stimme mit.
„Sagen Sie, hat ihre Tochter schon immer eher Heavy Metal gehört?“
„Was? Ach, Sie meinen wegen der Poster? Als Kind, da hat sie alles von „Deutschland sucht den Superstar“ gesammelt, später wurde es dann musikalisch immer lauter. Oder sagt man härter?“
Bernd Kamphaus hatte sich wieder in Richtung der Tür gedreht, blieb an einem der Poster stehen und wies mit einer Kopfbewegung darauf.
„Aber sie hatten nie Bedenken wegen ihres Musikgeschmacks?“
Der Wandschmuck zeigte eine Band namens „Gnorrgath“ - fünf Kerle, die sich mit schwarzer und weißer Schminke lächerliche Horrorfratzen auf das Gesicht gepinselt hatten. Es fehlte auch nicht an ordentlich Kunstblut, Nieten und Ketten.
„Ach, meine Frau anfangs schon, aber das ist doch Quatsch. Was haben wir nicht alles gehört früher? Wissen Sie noch, wie diese Finnen da den Grand Prix gewonnen haben vor ein paar Jahren? Diese Hardrockband, wie die aussahen?“
„Sie meinen Lordi.“ Kamphaus hatte sich noch einmal zu der Kommode mit Annas CD-Sammlung darauf begeben.
„Ja, ich glaube. Danach ging das ganz langsam mit Anna und ihrem Metal los glaub ich. Da geht’s ja dann grade als Teenie nicht nur um die Musik, sondern auch um Klamotten, Schmuck und all den Kram. Aber, wie gesagt, ich würde jetzt wirklich gerne ...“
Wenisch wurde von einem klatschenden Geräusch unterbrochen, dass von Kamphaus flacher Hand erzeugt worden war, die er sich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag gegen die Stirn schlug. Der Kommissar war gerade damit beschäftigt gewesen, die Rückseiten der einzelnen CD-Plastikhüllen zu überfliegen. Dabei war ihm ein kunstvoll geschwungenes Bandlogo aufgefallen, dass er kürzlich erst ganz woanders gesehen hatte.
„Dying Sad! - Anna hatte drei Alben von Dying Sad!“
Er betrachtete die kompletten Cover der CDs, die eher grafisch minimalistisch gehalten waren.
„Sie meinen...“
„... dass ihre Tochter offenbar Fan einer Band mit diesem Namen war und mit der Schrift auf ihrem Arm nicht unbedingt eine Botschaft übermitteln wollte, genau!“
11. Kapitel
Drei Minuten später saß Kamphaus wieder am Esstisch der Familie Wenisch und notierte sich Adresse und Handynummer von Niels Blum.
„Eigenartig, eigentlich hätte dass dem Freund ihrer Tochter doch auffallen müssen, wenn er auf die gleiche Musik steht?“
„Aber das mit dem Arm haben wir ihm doch gar nicht gesagt“, bemerkte Margot Wenisch leise, während sie nach wie vor damit beschäftigt war, Falten im Tischtuch mit ihrem Finger zu glätten.
„Warum?“
Gerd Wenisch antwortete für seine Frau. „Sie hätten den Jungen sehen müssen, wie er hier vor uns im Wohnzimmer zusammengebrochen ist. Anfangs konnte ich ihn ja nicht leiden, sie wissen ja vielleicht wie das ist bei Vätern und dem ersten Freund der Tochter. Jedenfalls ist er mir mit der Zeit ans Herz gewachsen, wirklich ein hochanständiger und lieber Kerl. Und als er da so zusammengesunken im Sessel saß und einen Heulkrampf nach dem anderen hatte … da haben wir es einfach nicht übers Herz gebracht.“
„Es hat doch gereicht, dass wir uns schon nicht erklären können, warum sie wohl so traurig gewesen war. Und geändert hätte es doch auch nichts“, brachte seine Frau hervor. Zwei Tränen suchten sich langsam einen Weg ihre Wangen hinab.
„Und wir wussten ja auch, dass die beiden sehr glücklich miteinander waren. Wir konnten den Niels ja auch so alles fragen, ohne ihm das mit dem Gekritzel auf Annas Arm erzählen zu müssen.“
„Aber jetzt sollte man ihn darauf ansprechen, es ist wichtig zu erfahren, ob es eine Botschaft von Anna gewesen sein könnte oder nicht“, sagte Kamphaus.
Gerd Wenisch strich seiner Frau tröstend über den Rücken und warf Bernd Kamphaus einen Blick zu, den dieser sofort verstand.
„Gut, dann will ich mal wieder. Vielen Dank für Ihre Zeit. Wenn noch etwas ist, rufe ich einfach an.“
Er war gerade erst wieder in seinen Wagen gestiegen und wenige Meter losgerollt, als ihm sehr zügig eine Vespa entgegenkam. Im Rückspiegel beobachtete Kamphaus, dass das Zweirad vor dem Haus der Familie Wenisch anhielt. Er trat auf die Bremse. Der
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