Heavy Metal (German Edition)
jetzt bestimmt auch ganz viel Hilfe und Zuneigung von dir.“
„Sagt Oma auch immer. Der Arzt gestern auch. Ich versuch ja auch, mich zusammen zu reißen.“
Jessica Serrig schaute Kamphaus unverhohlen trotzig ins Gesicht, bevor sie ihr Glas etwas zu heftig auf dem gläsernen Wohnzimmertisch abstellte.
„Und was wollten Sie noch wissen?“
Kamphaus verlagerte seine Sitzposition in dem schweren Sessel auf eine Art, von der er dachte, dass es lässig aussehen würde. Seinen rechten Arm ließ er dabei locker über die Lehne baumeln und tat betont beiläufig.
„Na, du hast in der Nacht erzählt, dass dein Vater in geschäftlichen Schwierigkeiten stecken könnte und ja sogar vermutet, dass es vielleicht gar kein Unfall war. Da haben wir noch nicht weiter drüber gesprochen. Magst du mir mehr davon erzählen?“
Jessica schwieg einige Sekunden und fuhr sich dabei wiederholt durch die Haare.
„Also – ich hab da drüber nachgedacht. Das ist eigentlich Quatsch was ich da gesagt hab. Ich meine, ich war da immer noch voll unter Schock und so. Wenn sich eine, die so alt ist wie ich von 'ner Brücke schmeißt, dann ist das wohl eher ein krasser Zufall, wenn Daddy in dem Moment darunter her fährt“.
„Aber Angst um ihn hattest du trotzdem schon vor dem Unfall? Ich meine wegen der Sachen, die er dir erzählt hat?“
Jessica nickte. „Ja, schon. Ich weiß da aber auch wirklich nix genaues. Ich konnte ihm alles erzählen und er mir auch. Was er dabei aber weggelassen hat und was nicht weiß ich natürlich nicht. Er sagte halt nur, dass er bei manchen Geschäften ein bisschen nebenbei verdient hätte und dass irgendwelche Typen jetzt sauer auf ihn wären deswegen. Und ich durfte Mama nie was davon erzählen, die wär sonst ausgerastet“.
Wie zum Ende seines ersten Besuchs in diesem Haus bemerkte Kamphaus nun erneut, dass die zickige Fassade des Teenies zu bröckeln begann. Zum ersten Mal hatte sie „Mama“ statt „Iris“ gesagt. Und wie sie während ihrer Erzählung die Arme um ihre Beine schlang und leicht hin und her zu wippen begann, wirkte eher schutzbedürftig als aufmüpfig. Warum auch immer, sie schien ihm zu vertrauen. Kamphaus zweifelte kein Wort an, das sie ihm erzählte.
„Mehr weißt du also nicht darüber?“
Jessica sah ihm traurig in die Augen.
„Ich glaube, er hatte echt Schiss wegen irgendetwas. Letzte Woche, da hat er mich morgens mit zur Schule genommen. Und als wir zu seinem BMW kamen, hatte da jemand einen richtig fetten Kratzer einmal über die ganze Fahrerseite gezogen, mit dem Schlüssel oder Schraubenzieher, keine Ahnung. Iris hatte das gar nicht mitbekommen und er hat ihr auch nichts erzählt. Er hat zwar gesagt, dass das bestimmt dieser neidische Fettsack von nebenan gewesen wäre. Aber ich hab gemerkt, dass er Angst hatte und das nur so gesagt hat, um mich zu beruhigen. Am nächsten Tag war das dann schon repariert und er hat nicht mehr davon gesprochen.“
„Du hast noch etwas von einer Affäre erwähnt, die dein Vater hat?“
„Ja, Rita. Die wohnt wohl in Kommern und ist älter als Daddy. Mehr weiß ich nich. Aber Daddy hat immer gesagt, dass er sie nicht liebt und uns nie wegen ihr verlassen würde. Er hat mir das irgendwann mal gebeichtet, als er ein bisschen betrunken nach Hause kam. Ich war da noch wach, als er kurz noch nach mir gesehen hat. Geheult hat er damals. Aber wie gesagt, mir war das soweit egal. Was Sex angeht war die Ehe meiner Eltern wohl schon lange auf Eis. Mir war nur wichtig, dass er nicht auszieht. Und das hat er mir immer versprochen.“
Der Arm des Kommissars begann allmählich zu kribbeln, daher nahm er wieder eine aufrechte Haltung in dem Sitzmöbel an. Zudem wollte er ohnehin bald gehen, denn mehr Informationen erhoffte er sich hier nicht, wenn man von den Kontaktdaten dieser Rita absah. Doch die konnte das Mädchen ihm nicht liefern.
Bei der Verabschiedung von Jessica hatte er ihr dieses Mal die Hand gereicht, sich für das Gespräch bedankt und ihr gesagt, dass sie sehr tapfer sei und er sich kümmern wolle. Dabei wusste er nicht einmal genau, ob und wie er das überhaupt würde tun können. Eine Phrase, aber eine ehrlich gemeinte. Er mochte das Mädchen. Sie erinnerte Kamphaus an eine Freundin, die er mal kurzzeitig mit 18 oder 19 hatte, und mit der er länger tiefschürfend philosophische Gespräche führend um eine Kanne Tee herum gesessen und dabei traurige Lieder gehört hatte, als körperlich erforschend tätig zu sein. Er musste
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