Hebamme von Sylt
in den Augen standen. »Hätte es nicht gereicht, bei Tisch höflich zu sein und anschließend nichts mehr von sich hören zu lassen? Habe ich Sie so gekränkt, dass Sie meine Zukunft zerstören wollen?«
»Das will ich nicht«, gab Alexander von Nassau-Weilburg zurück »Ich gebe zu, ich war gekränkt. Aber dann …« Er betrachtete die gepflegten Sträucher, die sorgfältig hochgebundenen Rosenranken, die geharkten Kieswege und die säuberlich geschnittene Hecke. »Auch ich weiß, was Liebe ist, Comtesse. Natürlich ist einem Mann diese Erfahrung eher erlaubt als einer Frau. Aber ich bin ein fortschrittlicher Mensch. Es fällt mir nicht schwer, einer Frau diese Art von Liebe zuzugestehen, für die sich eine Ehefrau zu schade ist.« Er wandte sich ihr zu, nur noch seine rechte Körperhälfte saß auf der Bank, sein linkes Knie berührte beinahe den Boden. »Wir sind uns ähnlich, Comtesse! Beide können wir lieben, obwohl unser Stand es nicht vorsieht, unser Leben der Liebe zu widmen.«
Elisa war verwirrt. »Warum glauben Sie, dass wir uns ähnlich sind?«
Alexander lehnte sich wieder zurück und sah in den Himmel, während er von einer Küchenhilfe am rumänischen Hof erzählte, die er nur einmal hatte sehen müssen, um zu wissen, dass sie die Liebe seines Lebens war. »Die Königin darf nicht erfahren, dass ich sie heimlich treffe. Sie hat hohe moralische Grundsätze. An die Liebe, wie Sie und ich sie erleben, Comtesse, glaubt sie nicht, nur an die Liebe, die in der Ehe entsteht.«
Elisa fühlte sich unbehaglich. Am liebsten wäre sie in die Villa zurückgegangen. Der entrückte Blick des jungen Fürsten, das unklare Lächeln auf seinem Gesicht, das Weiche, Widerstandslose, das sich nicht fassen lassen wollte, bereitete ihr körperliches Unwohlsein. Nur der dringende Wunsch, über ihr eigenes Schicksal entscheiden zu lassen und zu erfahren, was ihr bevorstand, hielt sie zurück.
»Sie ist klein und rund«, schwärmte Alexander. »Alles an ihr ist rund und weich. Schwarze Haare hat sie und dunkelbraune Augen. Und zwei Grübchen! Wenn sie mich anlacht und ihre Grübchen tanzen lässt, werde ich willenlos. Sollte in einem solchen Augenblick die Königin von mir verlangen, mich zu entscheiden zwischen Inna und meinem Platz am rumänischen Hof, ich würde mich leichten Herzens für die Frau entscheiden, die ich liebe.« Nun kehrte sein Blick aus der Erinnerung zurück, Alexander wurde plötzlich verlegen. So, als habe er im Überschwang der Gefühle etwas verraten, was nicht ausgesprochen werden sollte. Er schien ihm einzufallen, dass er eine Frau neben sich hatte, die an seinen Erinnerungen vielleicht nicht interessiert war, die sich von seinen Worten womöglich sogar gekränkt fühlte. Er schien sich zu fragen, ob er abbrechen oder seine Erzählung zu Ende führen sollte, entschied sich dann für Letzteres. Allerdings bemühte er sich nun um einen ernsten, sachlichen Tonfall, als könnte er damit seine Schwärmerei vergessen lassen. »Ich habe einen guten Freund, der darauf achtet, dass Inna und ich nicht entdeckt werden. Sie ist verheiratet, ihr Mann hat keine Ahnung, dass das Kind, das Inna im Winter bekommen hat, auch von mir sein könnte. Die Königin weiß es natürlich auch nicht. Sie würde mich zurückschicken auf mein Gut, auf dem ich geboren bin. Allerdings habe ich dort nur die ersten zwei Jahre meines Lebens verbracht, dann starben meine Eltern, und ich wurde von einem Verwandten zum nächsten geschickt, bis ich endlich in Bukarest landete, wo ich mich sehr wohlfühle. Nicht nur wegen Inna …« Wieder schwieg er eineWeile, dann räusperte er sich umständlich. »Ich bin glücklich, Comtesse, dass ich mit Ihnen darüber reden kann. Sie verstehen mich, Sie kennen auch die Sehnsucht.« Mit einem kurzen Blick schien er sich vergewissern zu wollen, dass er sich nicht irrte. »Und wir können einander vertrauen. Jeder von uns kann auf die Diskretion des anderen bauen.«
In Elisa regte sich Widerstand. Und das, obwohl ihr allmählich klar wurde, dass sie von dem Fürsten nichts Böses zu erwarten hatte. Trotzdem missfiel es ihr, mit ihm über ihre Sehnsucht nach Ebbo zu sprechen. Und sie wollte auch nichts hören von seiner Sehnsucht nach Inna. All das kam ihr unschicklicher vor als die Sehnsucht selbst. Sie wollte dieses Gespräch schleunigst beenden. So schnell wie möglich! Wenn Alexander von Nassau-Weilburg sie beide auch für Schicksalsgefährten hielt, die einander ehrlich und offen begegnen
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