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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Buuß nicht wissen.
    »Wer hat mir das Geld gestohlen?«
    »Gestohlenes Geld kann man nicht stehlen. Man kann es nur zurückführen zu dem rechtmäßigen Besitzer.«
    »War es Hanna Boyken?«
    »Hanna weiß, dass Recht und Gesetz über Freundschaft und Dankbarkeit stehen.«
    Geesche erhob sich schwerfällig und sah sich in ihrer Wohnstube um, als rechnete sie damit, ihr Hab und Gut lange nicht zu sehen zu bekommen. »Dann muss es wohl sein.« Sorgfältig rückte sie ihren Stuhl an den Tisch, betrachtete die Wandfliesen, die blank geputzten Fenster, die polierten Möbel, den glänzenden Knauf ihres Alkovens. Dann fiel ihr Blick auf die alte Segeltruhe ihres Vaters. Unter den wachsamen Augen des Inselvogts klappte sie den Deckel hoch. So, als könnte sie nicht glauben, dass das Geld nicht mehr dort versteckt war. Aber sie verzichtete darauf, das Leinen anzuheben und unter die Brüsseler Spitzen zu tasten. Behutsam schloss sie die Truhe wieder und seufzte tief auf. Nun war es also so weit! Sie musste bezahlen!
    »Was geschieht mit meinem Haus?«, fragte sie und sah in den Augen des Inselvogts, dass er diese Frage als weiteres Indiz wertete. Sie rechnete nicht damit, schon in Kürze wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden? Also war sie schuldig!
    »Ich habe einen Feriengast«, fuhr Geesche fort. »Er muss versorgt werden. Darauf hat er ein Anrecht.«
    Das sah der Inselvogt ein. Die Sommerfrischler hatten alle Rechte auf ihrer Seite. »Freda und Hanna werden das erledigen«, meinte er.
    Geesche sah ihn offen an. »Aber … jetzt kann ich sie nicht mehr bezahlen.«
    Über Heye Buuß’ Gesicht ging ein hämisches Grinsen. Zufrieden klopfte er auf seinen Hosenbund, hinter dem sich das Geld verbarg, das Geesche seit sechzehn Jahren in ihrer Truhe verwahrte. »Tja …« Er spreizte die Arme vom Körper und wuchs nun nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Breite. »Frag sie, ob sie es auch aus Freundschaft tun.«
    Geesche dachte nach, strich dabei über die Handwärmer des Beilegeofens, die kalt waren und ihr so leblos vorkamen, als wollten sie ihr zeigen, dass demnächst die Kälte in ihr ganzes Haus einziehen und schon bald alles ohne Leben sein würde. »Ich möchte mit meinem Verlobten sprechen«, sagte sie dann.
    Heye Buuß, der sie misstrauisch beobachtet hatte, als fürchtete er, sie könnte den stillen Abschied für eine Flucht nutzen, sah sie nun verblüfft an. »Du bist verlobt?«
    Geesche nickte. »Mit Dr. Nissen.« Sie ging an Heye Buuß vorbei in den Flur. »Leonard?«
    Die Tür des Fremdenzimmers öffnete sich augenblicklich, so, als hätte Dr. Nissen hinter der Tür darauf gewartet, herauskommen zu dürfen.
    Schweigend standen sie voreinander, Leonard Nissen, als traute er sich nicht, Geesche in seine Arme zu ziehen, und sie, als hoffte sie, er würde es unterlassen. Am Ende reichte Geesche ihm die Hand. »Ich werde für einige Zeit fort sein. Wirst du auf mein Haus achtgeben?«
    Leonard Nissen nahm ihre Hand, antwortete aber auf ihre Frage nicht. »Woher kommt das Geld, das man bei dir gefunden hat?«, fragte er.
    Heye Buuß trat einen Schritt näher heran, aber seine Hoffnung, Geesche könnte ihrem Verlobten mehr verraten als ihm, erfüllte sich nicht.
    »Ich habe es nicht gestohlen«, antwortete Geesche ausweichend.
    Der Inselvogt riet ihr, Wäsche zusammenzupacken, da sie mit einer baldigen Rückkehr nicht rechnen dürfe. Sie ging in die Wohnstube, ohne etwas von ihrer Ruhe zu verlieren, öffnete den Alkoven und entnahm ihm einige Sachen, die sie in einen Leinenbeutel steckte und an ihren Rock band. Dann trat sie wieder auf den Flur und sagte zu Heye Buuß, der die Haustür bewachte: »Ich bin so weit.«
    Dr. Nissen versuchte im Vorübergehen ihre Hand zu drücken, aber er griff ins Leere. Unsicher folgte er Geesche aus dem Haus, als wollte er sie begleiten, blieb aber noch in der Türfüllung stehen und beließ es dabei, ihr nachzublicken.
    Freda stürzte auf Geesche zu. »Du warst es nicht. Ich weiß, dass du keine Diebin bist! Und Ebbo weiß es auch. Bitte, verzeih Hanna, was sie dir antut. Ich weiß nicht, warum sie dich angezeigt hat. Sie ist so undankbar und …«
    Geesche ließ Freda nicht zu Ende sprechen. »Hanna hat getan, was sie tun musste.« Sie wandte sich Hanna zu, die noch immer an der Hauswand lehnte und sich große Mühe gab, Überlegenheit auszustrahlen. »Du hast recht, Hanna, ich war nicht immer gerecht zu dir.«
    »Das stimmt nicht«, rief Freda verzweifelt. »Du warst immer

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