Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
Vom Netzwerk:
vorsichtig an eines der zerbrochenen Fenster. Wie lange würde sie hier ausharren können? Da sie wusste, dass die Strandräuber sich in dieser Gegend aufhielten, war sie hier nicht so sicher, wie Marinus geglaubt hatte. Und er konnte beobachtet werden, wenn er zu ihr kam.
    Sie lächelte, während sie ihre Haare nach hinten strich und ihr Gesicht der Sonne hinhielt. Marinus kannte sich eben nicht so gut aus auf der Insel! Er war erschrocken gewesen, als er von den Strandräubern hörte. Doch er würde einen anderen Weg finden, ganz sicher! Er liebte sie noch immer! Und Liebe konnte bekanntlich Berge versetzen. Was aber beinahe noch wichtiger war: Er hatte ihr verziehen. Seit sie das wusste, glaubte sie zum ersten Mal daran, auch sich selbst verzeihen zu können. Und der Wunsch, nicht für etwas bezahlen zu müssen, was sie nicht getan hatte, wurde übermächtig. Nein, sie hattedie Lohngelder nicht gestohlen! Und sie würde für diese Tat nicht ins Gefängnis gehen. Nicht noch einmal!
    Vorsichtig öffnete sie die Tür, die so laut knarrte, dass Geesche erschrak. Aber der Wind trug dieses Geräusch schnell davon, und das Rauschen der Brandung riss es mit sich. Sie trat vor das Haus und sah sich um. Es lag in einem Dünental, leidlich vor dem Wind geschützt, aber doch nahe genug am Ufersaum, wo alles angespült wurde, was einem Strandgutsammler das Leben sicherte. Wenn in der Nacht ein Sturm getobt hatte, war Tjarda mit ihrem Sohn schon früh zum Meer gegangen, um sich nichts von der Habe der Unglücklichen entgehen zu lassen, deren Schiffe den Sturm nicht überstanden hatten. Die Strandräuber standen sogar in dem Ruf, falsche Blinkfeuer zu senden, um die Kapitäne aus der Fahrrinne ins sichere Verderben zu locken. Die Sylter erwarteten schon lange vom Inselvogt, dem wüsten Treiben der Strandräuber ein Ende zu setzen, aber Heye Buuß war ein Feigling, der sich nicht traute, gegen diese Bande vorzugehen. Er fürchtete ihre Rache und schürte damit den Hass der anständigen Bürger auf die Strandräuber noch mehr. Sogar Freda, die für alle Fehler ihrer Mitmenschen nach Entschuldigungen suchte und niemandem etwas Böses wünschte, wurde zu einem anderen Menschen, wenn es um die Strandräuber ging. Geesche hatte schon einmal mit eigenen Augen gesehen, dass sie einem Mann, den ein Ladenbesitzer als Strandräuber erkannte, vor die Füße gespuckt hatte. Etwas, was sie bis zu diesem Augenblick nicht für möglich gehalten hatte.
    Als sie Stimmen hörte, machte sie instinktiv einen Schritt zurück in den Schutz des Hauses. Aber dann merkte sie, dass sie weit entfernt waren, und traute sich weiter vor. Angespannt blieb sie stehen und lauschte. Es waren männliche Stimmen, und sie kamen vom Wasser. Strandräuber?
    Vorsichtig stieg sie Meter um Meter die Düne hoch. So weit, bis sie die Schaumkronen auf den Wellen sehen konnte. Dannduckte sie sich in den Sand und dachte nach. War es klug, was sie tat? War es nicht besser, im Haus zu bleiben, sich nicht blicken zu lassen und auf Marinus zu warten? Andererseits musste es richtig sein zu wissen, wie es in ihrer Umgebung aussah. Wie nah waren die Strandräuber? Wo hausten sie, und welche Gefahr ging von ihnen aus?
    Behutsam schob sie den Kopf vor – und zog ihn erschrocken zurück, als sie entdeckte, dass die Männer näher waren, als sie angenommen hatte. Sie hockten direkt unter ihr am Fuß der Düne und sahen auf das Meer hinaus, während sie miteinander redeten. Wieder duckte Geesche sich, legte die Stirn in den Sand und konzentrierte sich mit allen Sinnen auf das, was unter ihr gesprochen wurde. Sie hörte nicht auf die Brandung und nicht auf den Wind, nicht auf die Möwen und schon gar nicht auf das Pochen ihres Herzens. Und je konzentrierter sie lauschte, desto deutlicher kamen die Worte von unten zu ihr herauf.
    »Ich möchte wissen, wo Hauke steckt.«
    »Du weißt doch, er hatte einen Auftrag für letzte Nacht.«
    »Die Nacht ist vorbei! Vielleicht ist was schiefgegangen.«
    »Warum verrät er uns nichts? Wüssten wir, was er im Schilde führte, könnten wir ihm helfen. Aber so?«
    Nun mischte sich eine dritte Stimme ein. »Da ist viel Geld im Spiel. Hauke muss uns unseren Anteil geben.«
    »Wenn er zurückkommt!«
    »Wenn nicht, ist er vielleicht mit dem Geld über alle Berge. Weil er uns nichts abgeben will.«
    »Oder er liegt irgendwo mit zertrümmertem Schädel, und wir sehen ihn nie wieder.«
    Zertrümmerter Schädel! Geesche zuckte zusammen. War etwa von dem Kerl

Weitere Kostenlose Bücher