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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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würde er seine Uhr veräußern, die eine Menge wert war. Fürs Erste war er gerettet. Jetzt musste er sich nur noch überlegen, wie er mit dem Problem Geesche Jensen umging. Leben und arbeiten in ihrem Hause, das erschien ihm immer noch die sicherste aller Zukunftsaussichten.
    Er trat vors Haus, und während er den Weg zum Tor beschritt, kam er sich ein letztes Mal vor wie ein gern gesehener Gast. Schade, dass das nun vorbei sein würde. Viel hatte er verloren im letzten Jahr, ein Stück seines Lebens nach dem anderen.Und nun auch das! Aber es gab noch genug, was zu retten war. Nur darum wollte er sich jetzt kümmern.
    Dass er den Mann sah, war reiner Zufall. Dr. Nissen hatte sich noch einmal umgesehen, um sich von diesem Teil der Welt zu verabschieden, zu dem er nun nicht mehr gehörte, da fiel er ihm auf. Ein großer kräftiger Kerl, der aus dem hinteren Teil des Gartens kam und auf den Zaun zulief, der das Grundstück von der Düne trennte. Er trug einen hellen Kopfverband, so weiß, dass Dr. Nissen glaubte, er war gerade erst angelegt worden. Diesen Mann hatte er noch nie hier gesehen. Was tat er im Garten der von Zederlitz? Noch dazu, wo Gräfin Katerina sich dort aufhielt, um sich von den Anstrengungen der Verlobungsfeier zu erholen? Dr. Nissen konnte sich nicht vorstellen, dass der Graf irgendeinen Mann in der Nähe seiner Gemahlin duldete, wenn sie allein war.
    Kopfschüttelnd wandte er sich ab. Was ging ihn dieser Mann an? So wenig, wie ihn von nun an die gräfliche Familie etwas anging. Trotzdem drehte er sich nach einigen Metern noch einmal um und blickte zurück. Und nun sah er auch Marinus Rodenberg, der anscheinend ebenfalls auf den Mann aufmerksam geworden war. Er stand neben dem Haus und blickte dem Mann hinterher, der die Düne hochstieg und kurz darauf verschwunden war. Der Kopfverband hatte bis zum letzten Augenblick unter der Sonne geleuchtet.
     
    Marinus ging zügig, aber nicht so schnell, dass er auffiel. Er wollte aussehen wie ein Mann, der ein Ziel in möglichst kurzer Zeit erreichen wollte, aber keineswegs in großer Eile war. Am liebsten wäre er so schnell gelaufen wie möglich, damit er bald wieder bei Geesche ankam, aber er wusste, dass er sich unauffällig verhalten musste, damit niemand ihn mit Geesches Verschwinden in Zusammenhang brachte.
    Er sehnte sich nach ihr. O Gott, wie sehnte er sich! Die wenigen Stunden nach ihrer Flucht hatten ihm gezeigt, wie sehr ersie brauchte und dass er nur an ihrer Seite glücklich werden konnte. Was sie getan hatte, war immer noch schrecklich, aber dass er ihr nun verzeihen konnte, war sicher. Sie hatte Andrees geliebt, nur für ihn hatte sich auf den Handel eingelassen, den Arndt ihr angeboten hatte. Geesche war eine Frau, die lieben konnte. Mit jeder Faser ihres Körpers, mit dem ganzen Herzen! Marinus war sicher, dass sie auch für ihn ein großes Unrecht begehen würde, wenn sie ihn damit retten könnte.
    Sicherlich wartete sie schon auf ihn. Aber er hatte es als eine glückliche Fügung betrachtet, als der Hausdiener von Dr. Pollacsek im Hause seines Bruders erschienen war und ihn gebeten hatte, sich zu einem Gespräch im technischen Büro in der Strandstraße einzufinden. Vom Kurdirektor würde er vielleicht mehr erfahren, hatte er sich gesagt. Besser war es, etwas später zu Geesche zu gehen und dafür mit Neuigkeiten zu kommen. Geesche war es genauso wichtig zu erfahren, ob der Täter in ihrer Zelle gefunden worden war, ob er eine Aussage gemacht hatte, ob er geständig war, ob er zugegeben hatte, warum er Geesche töten wollte. Konnte es wirklich sein, dass ein Arbeiter der Inselbahn so rachedurstig war, dass er vor einem Mord nicht zurückschreckte? Marinus kannte die meisten von ihnen und konnte sich keinen einzigen vorstellen, der dazu fähig war. Selbst die größten Hitzköpfe gingen nicht so weit.
    Seine Schritte wurden prompt langsamer. Wie sollte er es Geesche nur sagen? Wie sollte er ihr erklären, dass er nicht mit guten Nachrichten kam? Wie würde sie es auffassen, dass sie nun nicht mehr nur als Diebin, sonder sogar als Mörderin galt? Marinus beschleunigte seinen Schritt wieder. Geesche musste weg von der Insel. Wenn sie gefunden wurde, war ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert. Dann würde man sie wegen Mordes verhaften und sicherlich auch verurteilen …
    Wieder dachte er an den Mann mit dem Kopfverband, den er im Garten seines Bruders gesehen hatte. Nur kurz und lediglich von hinten hatte er ihn gesehen, aber seine Figur war

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