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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Ihnen etwas verraten, Pollacsek? Ich denke darüber nach, mich auf Sylt niederzulassen. Kann ich mit Ihrer Unterstützung rechnen?«
    Dr. Pollacsek knöpfte vor lauter Begeisterung sein Hemd falsch zu, so dass er noch einmal von vorn beginnen musste, als er glaubte, mit dem Knöpfen fertig zu sein. »Das wäre fantastisch! Ich werde mich um ein Haus in exponierter Lage kümmern. Ich nehme an, Geld spielt keine Rolle?«
    Nissen machte eine Handbewegung, die Dr. Pollacseks Vermutung bestätigen sollte. Trotzdem antwortete er: »Ich brauche kein Haus, verehrter Pollacsek. Meine Pläne sehen anders aus.«
    Pollacsek war endlich mit seinem Hemd fertig und setzte sich zu Leonard Nissen, ohne sein Jackett überzuziehen. Die Neugier leuchtete aus seinen Augen.
    »Haben Sie sich nicht gewundert, dass ich im Haus der Hebamme logiere?«, fragte Nissen geheimnisvoll.
    Pollacsek lächelte. »Wenn ich ehrlich bin, ja. Ich hätte Sie in einem der Hotels gesucht.«
    »Unter anderen Umständen wäre ich natürlich im ›Hotel Stadt Hamburg‹ abgestiegen. So wie im letzten Sommer, als ich mit meiner Frau auf Sylt war.«
    »Andere Umstände? Welche Umstände sind es, die sich geändert haben?« Pollacsek hob abwehrend die Hände. »Über Ihre Scheidung bin ich natürlich informiert, ich werde Ihnen nicht zumuten, darüber zu reden. Ich kann mir vorstellen, wie schwer das für Sie ist. Von der Ehefrau betrogen zu werden – schrecklich!«
    Dr. Nissen nickte dankbar. »Ja, es war eine schwere Zeit. Aber nun liegt sie hinter mir.« Er seufzte tief auf, ehe er fortfuhr: »Jetzt hoffe ich, dass ich das alles bald vergessen kann.«
    »Das wünsche ich Ihnen«, beteuerte Dr. Pollacsek.
    Auf Dr. Nissens Gesicht stahl sich ein Lächeln, das den Kurdirektor aufmerken ließ. »Soll das heißen …?«
    Der Gedanke erschien ihm so ungeheuerlich, dass er den Satz nicht zu Ende sprechen mochte.
    Aber Dr. Nissen ahnte, was er fragen wollte, und nickte. »Ja, ich habe mich verliebt. Eigentlich möchte mein Schwiegervater … mein früherer Schwiegervater, dass ich weiterhin in seiner Klinik arbeite. Aber ich will meine Ehe so schnell wie möglich vergessen. Und das kann ich nur, wenn ich mich nach der Trennung von meiner Frau auch von ihrer Familie trenne.«
    Pollacsek verstand. »Und am besten vergisst man eine Liebe mit der nächsten.«
    »Geesche Jensens Haus ist groß genug für eine Arztpraxis.«
    »Aber … dass Sie auf Sylt nicht annähernd so viel verdienen können wie in einer Hamburger Privatklinik, wissen Sie? Die Sylter Bevölkerung ist arm.«
    Dr. Nissen beugte sich vor, stützte seine Ellbogen auf die Oberschenkel und sah Dr. Pollacsek eindringlich an. »Erstens denke ich nicht an die Sylter Bevölkerung, sondern an die Feriengäste, die hier Urlaub machen …«
    »Die sind nur im Sommer da!«
    »… zweitens geht es mir nicht ums Geld …«
    »Natürlich! Ihre Frau hat Ihnen vermutlich ein Vermögen zahlen müssen, weil sie schuldig geschieden wurde.«
    »… und drittens lockt mich nach den luxuriösen Jahren das einfache Leben.« Nissens Lächeln vertiefte sich. »An der Seite einer geliebten Frau.«
    Julius Pollacsek setzte an, Dr. Nissen zu gratulieren, aber der wehrte hastig ab. »Dazu ist es noch zu früh. Leider habe ich Geesche Jensens Herz noch nicht erobert.«
    Pollacsek lachte laut los, um Dr. Nissen seine Unsicherheit zu nehmen. »Das dürfte nur eine Frage der Zeit sein, lieber Nissen! Geesche Jensen ist Ende dreißig, wenn ich nicht irre. Eine Frau in diesem Alter ist froh, wenn jemand um ihre Hand anhält. Erst recht ein Mann wie Sie. Und den Tod ihres Verlobten dürfte sie mittlerweile überwunden haben.«
    Die beiden Herren schieden in bestem Einvernehmen voneinander. Leonard Nissen versprach, sich demnächst nach dem Gesundheitszustand des Kurdirektors zu erkundigen, und ermunterte Pollacsek, ihn zu konsultieren, wann immer er das Bedürfnis habe. Und der Kurdirektor sicherte seinem Besucher jede erdenkliche Hilfe zu, damit Sylt über kurz oder lang zu einem Arzt kam, so dass auch kränkliche oder gebrechliche Kurgäste den Aufenthalt auf der Insel in Erwägung zogen.
    Als Dr. Nissen ins Erdgeschoss hinabstieg, fühlte Julius Pollacsek sich bereits besser. Die offenen Worte hatten ihm gutgetan; dass der Arzt daran glaubte, die vorgeschlagenen Maßnahmen würden bald zum Abklingen seiner Beschwerden führen, weckte Zuversicht in ihm. Er hörte Dr. Nissen im Erdgeschoss mit seinem Bürovorsteher reden, der an chronischem

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