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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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passieren, in dem ihre kleine, schwache Existenz in Gefahr geraten oder sogar zerstört werden konnte. Graf Arndt von Zederlitz war mächtig. Wenn er herausfand, dass er von Hanna und Ebbo betrogen wurde, musste Freda mit dem Schlimmsten rechnen.
    »Die Comtesse mit ihrer Freundlichkeit wird uns Unglück bringen«, sagte sie, obwohl sie sicher war, dass diese Mahnung nichts bewirken würde. Dann drehte sie sich um und versuchte es deutlicher: »Sie passt nicht zu uns. Und noch weniger passen wir zu ihr. Wenn sie auch noch so freundlich ist!«
    »Das weiß ich«, sagte Ebbo und stand auf, als wollte er sich diesem Gespräch schleunigst entziehen.
    »Warum stellst du ihr dann nach?«, fragte Freda hitzig. »Du wirst uns alle ins Unglück stürzen!«
    Ebbo riss die Tür auf und warf sie hinter sich ins Schloss, ohne zu antworten.
    Freda, die plötzlich viel Kraft in sich spürte, fuhr zu Hanna herum. »Und du? Wie kannst du Ebbo dabei unterstützen?«
    Hanna sah sie erstaunt an, fragte nicht, woher ihre Mutter wusste, was sie für Ebbo tat, bestätigte es aber auch nicht. Sie erhob sich in einer Gemächlichkeit, die Freda so sehr aufbrachte, dass sie ihre Tochter am liebsten geschlagen hätte.
    »Ebbo ist mein Bruder, und die Comtesse ist meine Freundin«, sagte Hanna so hochmütig, dass Freda es wirklich tat: Sie schlug Hanna mit der flachen Hand ins Gesicht.

IX.
    Dies war der erste Morgen, der einen warmen Sommertag versprach. Graf Arndt verkündete während des Frühstücks, dass die Familie diesen Tag am Strand verbringen werde. »Das Wetter wird herrlich! Heute wird die Sonne herauskommen.«
    Seine Frau sah ihn zweifelnd an. »Bist du sicher? Haben wir uns schon ausreichend akklimatisiert?«
    Graf Arndt verwies auf das Gespräch mit Dr. Nissen am Vortag. Der Arzt hatte versichert, dass ein Aufenthalt am Meer der Gesundheit der Gräfin nicht schaden würde, und er sah auch keine Gefahr, dass die kräftige Konstitution der Comtesse noch robuster würde, was ihre Mutter unbedingt verhindern wollte.
    Dr. Nissen hatte es gefallen, das gräfliche Paar auf die gesundheitlichen Gefahren für Leib und Leben hinzuweisen, die auf Sylt bedacht werden mussten, aber auch auf sämtliche Vorzüge. »Mein Kollege Dr. Jenner, der erste Badearzt von Westerland, hat empfohlen, auf jeden Fall ohne Kleidung zu baden. Wenn man mal von den Gesetzen der Schicklichkeit absieht und nur an die Wirkung auf die Gesundheit denkt, hatte er sicherlich recht.« Als die Gräfin ihn entsetzt anstarrte, hatte er ergänzt: »Jede noch so dünne Kleidung hindert die Wirkung des Wellenschlags, der sich äußerst positiv auf den ganzen Körper auswirkt. Dazu kommt die Gefahr der Erkältung. Der Körper wird beim Baden durch die Bewegung erwärmt. Aber schon beim Verlassen des Wassers und den wenigen Schritten zum Badekarren wird er durch die nasse Kleidung durchkältet. Die Gefahr, sich zu verkühlen, ist groß.«
    Aber weder Gräfin Katerina noch Graf Arndt hatten davon etwas hören wollen. »Baden ohne Kleidung? Dann verzichten wir lieber aufs Baden.«
    Dr. Nissen hatte sie in diesem Entschluss bestärkt. »Der Aufenthalt am Strand reicht völlig und ist aus ärztlicher Sicht besonders zu empfehlen. Der Sylter Strand ist ideal, weil er gegen den schädlichen Ostwind geschützt ist, der krank machen kann. Auch die Sonne ist sehr angenehm, weil sie durch die frische Meeresluft abgeschwächt wird. Ich sehe keine Veranlassung, verehrte Frau Gräfin, Ihnen von einem Besuch am Strand abzuraten.«
    Und nun schien an diesem Morgen die Sonne ins Fenster, und die Dienstboten wurden angewiesen, alles für einen Tag am Strand vorzubereiten.
    Das Haus der Familie von Zederlitz lag am mittleren Strandübergang, zwischen dem Herrenbad im Süden und dem Damenbad im Norden. In dieser neutralen Zone, die für beide Geschlechter zur Verfügung stand, war der Frühstückspavillon »Erholung« errichtet worden, eine mittlerweile beliebte Strandrestauration, die schon im vergangenen Jahr sogar den Beifall der Gräfin gefunden hatte. Über die Schlichtheit des Angebots und der Einrichtung hatte sie ausnahmsweise nicht die Nase gerümpft, sondern sich an dem bescheidenen Holzhaus, den einfachen, aber appetitlichen Mahlzeiten und dem herrlichen Blick auf das Meer ergötzt. Sie erinnerte ihren Mann daran, dass ihr im Pavillon »Erholung« sogar der Kuchen geschmeckt habe.
    Graf Arndt schien erleichtert zu sein. »Die Haushälterin soll dafür sorgen, dass alles zum Strand

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