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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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herab, als die Kutsche anfuhr. Sie konnte sogar auf die Gräfin herabblicken, die vor ihr saß, und auf den Grafen, der ihnen nachsah.
     
    Marinus Rodenberg wanderte den Strand entlang. Er kam von Süden, wo er mit Dr. Pollacsek ein Gelände besichtigt hatte, das demnächst, wenn es nach dem Willen des Kurdirektors ging, der geplanten Südbahn zur Verfügung gestellt werden sollte. Zwei Fischerhütten mussten allerdings dafür weichen. Aber da Dr. Pollacsek die beiden Familien großzügig abfinden wollte, würde es wohl keine Schwierigkeiten geben.
    Marinus blieb stehen, als er die Gruppe der Männer sah, die sich an diesem Strandabschnitt, dem Herrenbad, mit Ballspielen vergnügten. Zwei lösten sich aus der Gruppe und liefen ins Wasser. Sie alle trugen einteilige Badeanzüge, die meisten quergestreift, mit kurzen Ärmeln und Hosenbeinen, die bis zu den Knien reichten, und verhielten sich in dieser zwanglosen Kleidung so lärmend, ausgelassen und prahlerisch, wie es Männer nur tun, wenn sie unter sich sind.
    Marinus zögerte weiterzugehen, weil er nicht wusste, ob er einen von ihnen kannte. Er wollte nicht aufgefordert werden, sich zu ihnen zu gesellen, wollte sich kein Gespräch aufzwingen lassen, das ihn nicht interessierte, und sich erst recht nicht in das beliebteste Gespräch aller Männer hineinziehen lassen,die sicher sein konnten, nicht belauscht zu werden. Marinus waren Männer, die über Frauen redeten, zuwider. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie höhnisch, spöttisch, freundlich, nachsichtig oder sogar ehrfürchtig von einer Frau sprachen. Sie wollten auch dann ihr Herr sein, wenn die Frauen unerreichbar für sie waren und blieben.
    Marinus kannte nur einen Mann, der seine Frau ohne jeden Besitzanspruch liebte, und das, obwohl auch ihre Hochzeit, wie in Adelskreisen üblich, von den Eltern arrangiert worden war. Marinus glaubte, dass es nichts gab, was Arndt unversucht gelassen hätte, um Katerina glücklich zu machen. Sogar von der Herrschsucht seiner Mutter hatte er sie befreit, indem er das Haus auf Sylt bauen ließ, wo Katerina zumindest während der Sommermonate vor der Verächtlichkeit ihrer Schwiegermutter verschont blieb, die gleich nach der ersten Fehlgeburt eingesetzt hatte. Die Geburt der gesunden Tochter hatte zwar die Einstellung der alten Gräfin geändert, aber dass der Familie von Zederlitz der männliche Erbe fehlte, wurde dennoch in so manchen scheinbar unbedeutenden Nebensatz eingeflochten.
    Marinus seufzte tief auf, ehe er sich entschloss weiterzugehen. Dicht an der Wasserkante hielt er sich, auf dem Streifen, über den die Zungen der Wellen geleckt hatten, wo der Sand feucht und fest war. Zu seiner Linken das Meer, zu seiner Rechten der Strand, vor sich der Bogen, der sich vom Horizont über dem Meer bis zur Kliffkante am Saum des Strandes spannte.
    Er sehnte sich nach Geesche. Wie gern wäre er zu ihr gegangen, hätte sich mit ihr auf die Bank vor der Tür gesetzt, hätte ihren flinken Fingern zugesehen, wie sie Salatköpfe zerteilten oder Erbsen aus ihren Schoten holten, während er selbst ein Messer über den Schleifstein zog oder einen angeschlagenen Krug kittete. Gegen Abend, wenn die Sonne unterging, hätte er dann eine Pfeife angezündet und Geesche genötigt, mit der Arbeit aufzuhören. Friedlich hätten sie nebeneinander gesessen, schweigend oder auch plaudernd, und dem Abend dabei zugesehen,wie er sich über die Insel senkte. So wollte er es haben für den Rest seines Lebens, hier auf Sylt oder woanders. Aber immer mit Geesche.
    Er winkte einen Gruß zurück, ohne zu ahnen, wer ihn mit »Moin, Herr Ingenieur!« angerufen hatte, und nickte den beiden Männern zu, die wie kleine Jungen im Wasser planschten und sich gegenseitig verdächtigten, zu frieren und es nicht mehr lange im kalten Wasser auszuhalten.
    Marinus schritt nun so kräftig aus, wie es möglich war. Es hatte keinen Sinn, zu Geesche zu gehen. Zu ihr war eine Frau gekommen, die im Haus der Hebamme ihr erstes Kind zur Welt bringen wollte. Geesche hatte ihm bedeutet, dass es lange dauern konnte, und Marinus wollte nichts weniger, als in Geesches Haus zu platzen, wenn dort eine Frau in den Wehen lag. Als etwa Zehnjähriger war er auf dem Gut seines Vaters einmal unversehens Zeuge einer Geburt geworden. Die gequälten Schreie des Dienstmädchens hatte er nie vergessen können.
    Mittlerweile konnte er das Strandrestaurant »Erholung« ausmachen und davor eine Gruppe von Menschen. Möglich, dass es sich um die

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