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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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helfen, schien ihn weitaus mehr zu quälen, als sie unter ihrer Niedergeschlagenheit litt. Er war ein netter Mann, das glaubte Elisa von Minute zu Minute mehr. Kein interessanter Mann, kein Mann, der ihr Herz erreichen konnte, aber ein Mann, der ihr nicht wehtun würde. Wenn ihre Eltern ihn für sie aussuchten, konnte sie zufrieden sein.
    »Ich weiß, wovon Sie sprechen«, sagte Gräfin Katerina, und alle Gesichter wandten sich ihr ungläubig zu. Elisa wusste, dass ihre Mutter mehrere Tot- und Fehlgeburten erlitten hatte, bevor sie zur Welt gekommen war, aber gesprochen hatte sie nie davon. Über etwas derartig Intimes verlor die Gräfin niemals ein Wort. Dass sie nun ihr eigenes Schicksal ins Spiel brachte, konnte nur bedeuten, dass ihr daran gelegen war, der Königin vor Augen zu führen, dass die Welt voller trauriger Schicksale war und das einer Königin nicht schwerer wog als alle anderen. Die Liebe zu ihrer Mutter schoss in diesen wenigen Augenblicken in Elisa hoch wie eine Flamme, die in Sekundenschnelle alles erwärmte, was gerade zu Eis erstarren wollte. Ganz erfüllt war sie von dieser Liebe, als Gräfin Katerina sogar so weit ging, wie man es nie für möglich gehalten hätte: »Ich habe viele Kinder hergeben müssen, bevor ich meine Tochter endlich behaltendurfte.« Dann tastete sie sogar nach Elisas Hand und drückte sie leicht. Eine Gefühlsaufwallung sondergleichen! Und noch dazu in der Öffentlichkeit!
    Elisa warf ihrem Vater einen Blick zu, der seine Frau verblüfft anstarrte und anschließend den Stock zwischen seinen Knien so schnell kreisen ließ, dass er auf den sandigen Planken der Terrasse ins Rutschen kam und zu Boden fiel.
    In den wenigen Sekunden, die verstrichen, bis ein Kellner ihn aufgehoben und zurückgegeben hatte, senkte sich eine lähmende Stille herab. Aber zum Glück löste sie sich bald auf. Die Königin gab Katerina von Zederlitz mit einem kleinen Lächeln zu verstehen, dass sie sich ihres Mitgefühls sicher sein dürfe, und kam nun auf sonnige Tage zu sprechen. »Wie glücklich war ich, als ich zum ersten Mal nach Bukarest kam! Noch am selben Abend habe ich ein kleines Gedicht geschrieben, obwohl ich wieder mal unter meinem Fieber litt.« Sie richtete sich auf, atmete tief ein, dehnte die Ellbogen nach außen und spreizte die Finger. »Ein Jubellied aus frohem Munde / das schwingt sich auf zum Himmelszelt / Es trägt wie Lerchensang die Kunde / empor: ›Wie schön ist doch die Welt!‹«
    Gräfin Katerina und Graf Arndt applaudierten lebhaft, Alexander von Nassau-Weilburg so frenetisch, als hätte er dieses Gedicht noch nie gehört, Elisa fiel erst ein, als der Blick ihrer Mutter sie traf.
    Die schönen Worte der Königin waren an ihr vorbeigeflogen, denn an der Wasserkante sah sie etwas, das ihre Aufmerksamkeit ablenkte. Ebbo kam den Strand entlang, barfuß, die Hände in die Hosentaschen vergraben, den Blick mal auf das Wasser gerichtet, mal auf die Sommerfrischler, die sich am Strand vergnügten. Er sah so aus, als suchte er eine Möglichkeit, sich etwas zu verdienen, einen Strandkorb zurechtzurücken oder einem weggewehten Tuch nachzujagen und es zurückzubringen. Aber Elisa wusste, dass er gekommen war, um sie zu sehen. Ein Blick aus der Ferne hätte ihm gereicht. Für einheimliches Augenspiel, einen winzigen Blick in ihr Leben hätte er die ganze Insel umrundet. So etwas würde Alexander von Nassau-Weilburg wohl niemals tun. Aber kam es darauf an? Ja, in der Liebe kam es genau darauf an! Aber nicht, wenn es um die Ehe ging.
    Zum Glück lächelte sie genau im richtigen Augenblick, obwohl sie kaum zur Kenntnis nahm, dass Königin Elisabeth ankündigte, demnächst ein Dinner zu geben, zu dem die Familie von Zederlitz herzlich eingeladen sei. »Ihr reizendes Töchterlein wird die Tischdame meines lieben Alexanders sein!«
    Als der junge Fürst nach Elisas Hand griff und sie an seine Lippen zog, beugte er sich so weit vor, dass sie Ebbo weiterhin im Blick haben konnte. Dies war der Moment, in dem ihr mit aller Konsequenz bewusst wurde, dass sie in zwei Welten lebten. Ebbo unerreichbar dort drüben mit nackten Füßen im seichten Wasser und sie hier oben auf der Terrasse des Strandrestaurants in Gegenwart einer Königin und eines jungen Fürsten.
     
    Dr. Nissen saß noch auf der Bank vor dem Haus, auf die er sich hatte fallen lassen, als Geesche vor ihm in die Küche geflohen war. Ja, es war wie eine Flucht gewesen. Auf keinen Fall hatte sie sich erklären und nichts hatte sie

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