Hebt die Titanic
Sandwiches, halb leeren Gläsern und vollen Aschbechern. Die Luft war entsprechend schal und rauchgeschwängert. Admiral Kemper stand vor einer Wandkarte, deutete die augenblicklichen Positionen der Bergungsflotte an und berichtete von dem Hurrikan und von dem Notruf, den die Juneau empfangen hatte.
»War es denn wirklich notwendig, die Juneau von ihrer eigentlichen Aufgabe abzuziehen?« fragte der Präsident.
»Ein Notruf hat immer Vorrang«, antwortete Kemper ernst. »Ich verstehe«, sagte der Präsident.
»Und wie stehen die Chancen der Titanic in diesem Hurrikan?«
»Solange die Schlepper ihren Bug auf Kurs gegen Wind und Wellen halten können, sind die Chancen nicht schlecht, daß das Wrack den Sturm übersteht«, antwortete Kemper und zuckte fatalistisch mit den Schultern. »Wir können also nur warten und hoffen.«
In diesem Augenblick hing das Schleppkabel jedoch bereits schlaff vom Heck der Wallace herab, und das abgetrennte Ende baumelte unsichtbar fünfhundert Meter unter den aufgewühlten Wellen.
Butera stand neben der großen elektrischen Winde und schrie durch das Heulen des Sturms in Leutnant Kellys Ohr: »Wie konnte das passieren? Das Kabel ist doch für noch viel stärkere Belastung berechnet!«
»Ich kann es mir nicht erklären!« schrie Kelly zurück. »Das Kabel war nicht besonders straff gespannt, als es riß.«
»Holen Sie es hoch, Leutnant. Wir wollen uns das anschauen.« Der Leutnant nickte und gab die entsprechenden Befehle. Die Bremsen wurden gelockert, und die riesige Rolle begann sich zu drehen und das Kabel aus der See heraufzuholen. Ein dichter Vorhang von Gischt sprühte gegen das Kabelhaus. Das Kabelgewicht zog das Heck der Wallace wie ein Anker nach unten. Jede Woge schlug daher bis hoch über das Steuerhaus und brach mit einer solchen Gewalt zurück, daß das ganze Schleppschiff unter der heckwärts abfließenden Flut erzitterte. Schließlich tauchte das Ende des Schleppkabels am Heck empor und glitt auf die Rolle. Sobald die Bremsen angezogen waren, traten Butera und Kelly an die Rolle heran und begannen die ausgefransten Kabelstränge zu untersuchen. Butera stieß einen unterdrückten Fluch aus, als er die abgeschmolzenen Stränge befühlte.
Der Leutnant äußerte seinen Zorn deutlicher, als er heiser rief: »Welches verdammte Schwein hat denn das Kabel mit einem Schneidbrenner gekappt?«
Pitt kauerte gerade auf Händen und Knien im Laderaum des Hubschraubers und leuchtete mit der Taschenlampe unter die zusammengeklappten Sitze, als das Schleppkabel der Titanic ins Wasser fiel. Ohne die Zugkraft der Schlepper verlor das Wrack sofort seinen stetigen Kurs und wurde breitseits gegen Wind und Wellen getrieben.
Inzwischen hatte Pitt Danas Schminktäschchen zwischen den Vordersitzen dicht bei der Trennwand des Cockpits gefunden. Obwohl er nicht an Danas Bericht gezweifelt hatte, war er erleichtert, als er jetzt ihre Erklärung bestätigt fand. Allerdings machte er im nächsten Moment eine andere Entdeckung, die ihn sehr beunruhigte. In die Trennwand war eine Vertiefung eingelassen, die Platz für ein Rettungsschlauchboot für zwanzig Mann bot. Doch die gelbe Schutzhülle vor der Einbuchtung hing schlaff herunter: Das Schlauchboot war verschwunden.
Ehe Pitt noch seine Folgerungen aus diesem Verschwinden ziehen konnte, krachte die erste Woge mit voller Wucht breitseits gegen die jetzt ungelenkt dahintreibende Titanic. Der Rumpf neigte sich unter dem Anprall gefährlich nach Steuerbord. Pitt wollte sich an eine der Sitzlehnen klammern, aber seine Hände griffen ins Leere, und er wurde über den Boden schräg nach unten geschleudert. Sein Kopf prallte dabei so hart gegen die halb offene Laderaumluke, daß er sofort die Besinnung verlor und nichts mehr von der zehn Zentimeter langen Platzwunde an seinem Schädel spürte.
Einige Stunden vergingen, ehe er wieder zu sich kam. Als erstes spürte er Sturmböen, die ihn eisig kalt umwehten. Sein Gehirn hatte nicht registriert, was inzwischen geschehen war. Er wußte nicht, daß der Hubschrauber aus seiner dreifachen Verankerung gerissen und seitwärts auf das Bootsdeck geschleudert worden war, bevor er die Reling durchbrach und in die aufgewühlten See hinabstürzte.
62
Die Russen enterten die Titanic, als der Sturm etwas abflaute. Spencer und seine Pumpmannschaft tief unten in den Kessel- und Maschinenräumen des Wracks wurden von dem Angriff so überrumpelt, wie es Prevlov geplant und in die Tat umgesetzt hatte.
Inzwischen waren
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