Hebt die Titanic
Maschinenpistole.
»Ihr Kommandoraum ist überflüssig geworden«, sagte Prevlov, ohne einen der Amerikaner direkt anzuschauen. »Ich habe meine Kommunikationsgeräte im Hauptspeisesaal des D Decks installieren lassen. Wenn Sie uns jetzt ohne Widerstand dorthin begleiten, sorge ich für Ihre Sicherheit, bis das Wetter sich bessert.«
»Würden Sie mir eine Frage beantworten?« forderte Sandecker verdrossen. »Das sind Sie mir wenigstens schuldig.«
»Natürlich, Admiral.«
»Wo ist Dirk Pitt?«
»Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß Mr. Pitt in Ihrem Hubschrauber war, als der über Bord gespült wurde«, sagte Prevlov mit ironischem Mitgefühl.
63
Admiral Kemper saß dem Präsidenten gegenüber und rührte mit dem Teelöffel gedankenlos den längst aufgelösten Zucker in seiner Kaffeetasse um. Beide sahen sehr ernst aus.
Inzwischen hatten sie die anderen Hiobsbotschaften längst erfahren: Das Kappen des Schlepptaus und Dana Seagrams unerwartetes Auftauchen an Bord der Titanic. Man hatte Gene Seagram darüber informiert, und sein ohnehin labiler Nervenzustand war dadurch noch prekärer geworden.
Der Admiral räusperte sich und versuchte seiner Stimme einen optimistischen Beiklang zu geben, als er berichtete: »Der Flugzeugträger Beecher’s Island nähert sich dem Suchgebiet. Im Morgengrauen werden die Suchflugzeuge starten.«
Kemper zwang sich zu einem dünnen Lächeln. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Präsident. Bis morgen nachmittag haben wir die Titanic wieder in Schlepptau. Dessen bin ich fast sicher.«
Der Präsident sagte mit mildem Vorwurf: »Ich soll mir keine Sorgen um ein Schiff machen, das hilflos in einem der schlimmsten Hurrikane seit Jahren als halb verrostetes Wrack im Ozean dahintreibt? Ihr Optimismus erscheint mir ziemlich ungerechtfertigt, Admiral.«
Kemper seufzte. »Zweckoptimismus, Mr. Präsident«, gestand er mit einem resignierten Lächeln. »Tatsächlich haben wir alle Möglichkeiten einkalkuliert: nur nicht diesen unberechenbaren Hurrikan.«
»Es könnte noch alle möglichen anderen Zwischenfälle geben, die wir nicht einkalkuliert haben«, sagte der Präsident in düsterer Vorahnung. Fast im Flüsterton fragte Kemper: »Wenn nun wirklich das Schlimmste eintritt, Mr. Präsident? Was dann?«
Der Präsident machte eine unwillige Geste. »Was bleibt uns dann übrig? Wir müssen Sandecker, Pitt und die anderen aufgeben.«
»Und das Projekt Sizilien’?«
»Auch das Projekt Sizilien müssen wir in dem Falle aufgeben«, sagte der Präsident leise.
64
Die dunklen Schleier der Bewußtlosigkeit begannen sich zu lichten, und Pitt spürte, daß er mit dem Kopf nach unten und von Nässe umgeben auf etwas Hartem lag. Nach einer Weile konnte er das eine Auge öffnen, das nicht von Blut verkrustet war. Er spähte nach links und rechts und erkannte, daß er noch in dem Hubschrauber war. Seine Beine lagen zusammengekrümmt schräg über ihm am Boden, und Rücken und Schultern wurden durch die hintere Trennwand gestützt. Wasser schwappte einige Zoll hoch um seinen Körper. Durch sein Gehirn zuckte ein stechender Schmerz, als er sein Gesicht mit dem Salzwasser abspülte, um die Blutkruste vom Lid des anderen Auges zu lösen. Zuerst tränte das Auge nur, aber allmählich gewann er seine volle Sehfähigkeit zurück. Ebenso behutsam wie mühsam kroch er seitwärts und stellte fest, daß sich die Tür des Laderaums beim Sturz quer über das Deck der Titanic verklemmt hatte. Blieb ihm also nur noch der Ausweg durch die Tür zur Pilotenkabine. Pitt begann sich an den Befestigungsringen über den Boden des Laderaums hochzuhangeln. Der Schmerz tobte in seinem Kopf, und er mußte immer wieder haltmachen, um Atem zu schöpfen und den bohrenden Kopfschmerz abklingen zu lassen. Schließlich konnte er hochgreifen und den Türriegel berühren. Die Anstrengung, den Türriegel zu öffnen, erschöpfte ihn so sehr, daß er beinahe wieder über den ganzen Ladeboden zur hinteren Trennwand hinuntergerutscht wäre. Er brauchte fast zwei Minuten, ehe er die Kraft aufbrachte, sich gegen das Gewicht der Türklappe nach oben in die Pilotenkabine zu stemmen. Es war so schwierig, als müßte er sich ohne Leiter durch eine Falltür in eine Bodenkammer zwängen. Als er es geschafft hatte, band er zuerst ein nasses Taschentuch um seine vom Türrahmen blutig zerschrammten Finger und spähte durch die Dunkelheit der Pilotenkabine. Bald konnte er erkennen, daß der Weg nach draußen frei war. Die Kabinenluke war aus den
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