Hei hei er und dann
Feiertage allein sind.“
Eigentlich hatte sie nur gesagt, dass ihr Bruder in New York lebte. Er würde nächstes Wochenende zu Heiligabend kommen, aber das schien im Moment nicht weiter von Belang.
„Da Joe im Krankenhaus liegt, bin ich ebenfalls allein. Wollen Sie etwa, dass ich die Feiertage über einsam bin?“ Augenzwinkernd spielte Colin seine Trumpfkarte aus. Wie konnte sie einen Mann abweisen, der unter dem Schlaganfall seines Adoptivvaters und unter Corinnes augenscheinlichen Veränderungen im Büro zu leiden hatte?
„Kommen Sie, Rina …“, er verlegte sich jetzt schamlos aufs Bitten, „… Emmas Enkel war mein Zimmergenosse auf dem College. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Weihnachtsparty der Montgomery-Familie jede andere Festivität in den Schatten stellt. Sie müssen es selbst erleben. Aber nicht allein“, fügte er schnell noch hinzu.
Rina musterte ihn argwöhnisch. „Wenn ich verspreche, Sie lange genug allein zu lassen, damit Sie alle nichts ahnenden Männer unter die Lupe nehmen können, darf ich Sie dann um acht abholen?“
Rina atmete tief durch. Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie seine Einladung tatsächlich ablehnen wollte. Durch seine fordernde, wenn auch charmante Art hatte sie sich in die Ecke gedrängt gefühlt, weil sie ihre eigenen Entscheidungen treffen wollte. Es hatte sie an Robert erinnert: an all die Male, da er zu irgendeiner Wohltätigkeitsveranstaltung gehen wollte, in die er beruflich involviert war, und sie lieber zu Hause geblieben wäre. Damals hatte es nie einen Kompromiss gegeben. Immer hatte sie sich dem Willen ihres Mannes beugen müssen.
Doch Colin hatte ihr gerade die Wahl gelassen. Er hatteihren Einwand verstanden und war auf sie eingegangen.
Daher konnte sie guten Gewissens Ja sagen. Erfreut und plötzlich auch ziemlich aufgeregt, erwiderte sie seinen Blick und lächelte, ehe sie antwortete. „Einverstanden. Acht Uhr passt wunderbar.“
„Da bin ich aber froh.“ Colin wirkte erleichtert. „Und bitte seien Sie pünktlich.“ Dieser Abend würde ihr Gelegenheit geben, weitere äußerliche Veränderungen vorzunehmen und dann ihren Charme für die High Society von Ashford spielen zu lassen – und für Colin.
Er schmunzelte. „Auf jeden Fall. Ich will mir keine Sekunde unserer gemeinsamen Zeit entgehen lassen.“
Lächelnd ging Rina zu ihrem Schreibtisch und ignorierte dabei die neugierigen Blicke ihrer Kollegen. Sie erkannte, dass sie in diesem großen Büro voller Menschen zum ersten Mal ihre eigene Welt erschaffen hatten: Sie hatten miteinander gesprochen, als ob niemand sonst anwesend gewesen wäre. Rina erschauerte. Wenn er die Macht hatte, sie in aller Öffentlichkeit derart in seinen Bann zu ziehen, was würde dann erst mit ihr geschehen, wenn sie allein wären?
Nun, sie würde ja bald die Gelegenheit dazu bekommen, es herauszufinden.
3. KAPITEL
Rina behauptete also, das Make-up sei Teil eines Experiments für ihre Kolumne? Von wegen, dachte Colin. Er bevorzugte den Gedanken, es hätte etwas mit ihm zu tun.
Er hatte ihre Anziehungskraft vom ersten Tag an deutlich gespürt, aber natürlich hatte er Rina überhaupt nicht gekannt. In diesem kurzen Gespräch jedoch hatte er eine Menge über sie erfahren. Es hatte ihn völlig überrascht, dass sie so viel Interesse an seinem Leben gezeigt hatte. Dann hatte er sich umgedreht, um sich zu bedanken, und war von ihrem neuen Aussehen vollkommen überrumpelt worden. Rina brauchte kein Make-up, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Aber er konnte nicht leugnen, dass die subtilen Veränderungen, die sanft schimmernde Haut, die betont leuchtenden Augen und vor allem der glänzende Mund, ihn betörten. Wie gern hätte er ihre Lippen erneut geküsst!
Seit er sich zu diesem Kuss unterm Mistelzweig hatte hinreißen lassen, hatte er Feuer gefangen und wollte mehr. Und seit Rina echtes Interesse an seiner Person und an seinen Problemen gezeigt hatte, war neben der reinen Lust noch ein weiteres Gefühl entstanden.
Sie war die erste Frau seit langem, die ihm derart unter die Haut ging. Eigentlich hatte er sie zu Emmas Party einladen wollen, um ihr wegen Corinne auf den Zahn zu fühlen. Doch dann war es aus einem anderen Grund heraus geschehen: Auf gar keinen Fall sollte diese Frau die Feiertage in einer neuen, fremden Stadt allein verbringen – nicht, nachdem sie in jenem schrecklichen Moment für ihn da gewesen war, wo er Corinnes verschwenderisch dekorierten Christbaum
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