Heidegger - Grundwissen Philosophie
eine Fassung erhalten, die dem Weltbegriff der Subjektphilosophie überlegen ist. Gleichzeitig muß das Zeichen- und Bedeutungsverstehen im Rahmen des teleologischen Handlungsmodells gelöst werden können. Dies erweist sich jedoch als unmöglich. Denn obgleich die pragmatische Zeuganalyse die Subjekt-Objekt-Relation der neuzeitlichen Erkenntnistheorie durch die Freilegung eines ontologischen Vorverständnisses fundamentalontologisch unterlaufen will, bleibt auch sie in den Zwängen der Subjektphilosophie gefangen.
[51] Gemäß der Zeuganalyse gilt ja: »
Ein
Zeug ›ist‹ strenggenommen nie. Zum Sein von Zeug gehört je immer ein Zeugganzes, darin es dieses Zeug sein kann, das es ist. Zeug ist wesenhaft ›etwas, um zu ...‹. Die verschiedenen Weisen des ›Um-zu‹ wie Dienlichkeit, Beiträglichkeit, Verwendbarkeit, Handlichkeit konstituieren eine Zeugganzheit. In der Struktur ›Um-zu‹ liegt eine
Verweisung
von etwas auf etwas.« (SZ 68) Diese Verweisung, die die »ontologische ›Voraussetzung‹ des Zuhandenen« ist und damit »zugleich Konstituens der Weltlichkeit überhaupt«, gilt es im Rahmen einer »Verweisungsmannigfaltigkeit« mit holistischem Zuschnitt phänomenal in den Blick zu bringen. »Der phänomenologische Aufweis des Seins des nächstbegegnenden Seienden bewerkstelligt sich am Leitfaden des alltäglichen In-der-Welt-seins, das wir
Umgang in
der Welt und
mit
dem innerweltlichen Seienden nennen.« (SZ 66f.) Am Beispiel des Hämmerns mit einem Hammer macht Heidegger deutlich, daß das hantierende Besorgen seine eigene Sicht hat, eine Sicht, die nicht nur die spezifische Handlichkeit des Hammers entdeckt, sondern generell eine »Verweisungsganzheit« – und eben damit auch die Weltlichkeit der Welt. »Der gebrauchend-hantierende Umgang ist aber nicht blind, er hat seine eigene Sichtart, die das Hantieren führt und ihm seine spezifische Dinghaftigkeit verleiht. Der Umgang mit Zeug unterstellt sich der Verweisungsmannigfaltigkeit des ›Um-zu‹. Die Sicht eines solchen Sichfügens ist die
Umsicht
.« (SZ 69)
Aus dieser These will Heidegger zeichentheoretisches Kapital schlagen. Dazu muß Zeichenstiftung und Zeichengebrauch auf das »besorgende In-der-Welt-sein« appliziert werden. Schon in der Vorlesung
Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs
hieß es diesbezüglich: »So ist alles Zeichennehmen, Zeichengebrauch, Zeichenstiftung nur eine bestimmte Ausformung des spezifischen Besorgens der Umwelt, sofern sie verfügbar sein soll.« (GA 20, 285) Auch Zeichen-Zeuge sind durch »Verweisung konstituiert«, auch für sie gilt, daß sie als »bestimmte Zeuge« als etwas fungieren, »was die ontologische Struktur der Zuhandenheit, Verweisungsganzheit und [52] Weltlichkeit anzeigt«. (SZ 82) Was Heidegger näherhin unter »Verweisung« versteht, machen ebenfalls die Marburger Vorlesungen aus dem Sommersemester 1925 deutlich: »Die Verweisung, die wir im Auge haben, als Begegnisstrukturmoment der Welt, bezeichnen wir nun genauer als ›bedeuten‹. Die so bestimmte Begegnisstruktur in Verweisungen als bedeuten nennen wir die
›Bedeutsamkeit‹
[…]. Dieser Ausdruck ist nicht der beste, aber ich habe seither, seit Jahren, keinen anderen gefunden, vor allem keinen solchen, der einem wesentlichen Zusammenhang des Phänomens mit dem, was wir als Bedeutung im Sinne der Wortbedeutung bezeichnen, Ausdruck gibt.« (GA 20, 275)
Nun ist dieser Ausdruck in der Tat nicht der beste, um den »wesentlichen Zusammenhang des Phänomens mit dem« zu erklären, was Heidegger die »Bedeutung im Sinne der Wortbedeutung« nennt. Daß er keinen besseren Ausdruck gefunden hat, ist jedoch kein terminologisches, sondern ein sachliches Problem, das mit dem Versuch zusammenhängt, intersubjektiv teilbare Bedeutungen als etwas der Sprache Zugrundeliegendes auszuzeichnen. Die Unangemessenheit dieses Versuchs resultiert aus den Prämissen der Zeichentheorie selbst. Zeichen versteht Heidegger ebenfalls als »Zeuge, deren spezifischer Zeugcharakter im
Zeigen
besteht« (SZ 77). Diesen Gedanken hat Heidegger am Beispiel eines roten, drehbaren Pfeils erläutert, der seinerzeit an Kraftfahrzeugen angebracht war, um die Fahrtrichtungsänderung anzuzeigen. Von diesem »Zeiger« macht nicht nur der Kraftfahrer Gebrauch, um anzuzeigen, daß er die Fahrspur wechseln oder nach rechts bzw. nach links abbiegen will, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. Und das können sie, weil jener rote, drehbare Pfeil ein Zeichen ist, dessen Bedeutung
Weitere Kostenlose Bücher