Heidegger - Grundwissen Philosophie
ontologisch interpretierte Verweisung erklären, sondern nur durch die Geltung einer Regel. Im Begriff der Regel vereinigt sich die Identität der Bedeutung mit der Intersubjektivität ihrer Geltung; sie erläutern sich wechselseitig. Mit dem Begriff »einer Regel folgen« kann die Identität der Bedeutung auf die Fähigkeit zurückgeführt werden, einer intersubjektiv geltenden Regel mit einem weiteren Ko-Subjekt zu folgen. Diese Möglichkeit wird von Heidegger allerdings gar nicht erst erwogen. Denn dies zöge die Anerkennung der These nach sich, daß das hermeneutische Verstehen an eine symmetrische Sprecher-Hörer-Beziehung gebunden ist und daß es ohne Öffentlichkeit überhaupt keinen hermeneutischen Raum des Verstehens gibt.
Obwohl auch Heidegger im Rahmen der Zeuganalyse auf die pragmatische Dimension der Zeichenfunktion stößt, obwohl auch er sieht, daß der adressierende Charakter des Zeichens nicht »erfaßt« wird, »wenn wir es anstarren« und als »vorkommendes Zeigding feststellen«, schlußfolgert er, daß die Verweisung, weil sie »nicht die ontologische Bestimmung des Zuhandenen« sein kann, da sie die »Zuhandenheit selbst konstituiert«, als »be-deuten« etwas sein muß, was einer intersubjektiv geteilten Sprache vorausliegt, ja, Sprache als Sprache erst konstituiert. Im Gegensatz zu Charles S. Peirce (1839–1914), der ein dreistelliges Modell der Zeichenverwendung benutzt und die Analyse sprachlicher Bedeutungen von vornherein auf die Idee der Verständigung von Kommunikationsteilnehmern über etwas in der Welt bezieht, und anders auch als Charles Morris (1901–1979), der im Anschluß an Peirce’ Definition des Zeichens vorschlägt, alles Zeichen zu nennen, was aufgrund einer sozialen Konvention als etwas aufgefaßt werden kann, was für etwas anderes steht – und damit von einem Interpreten auch als Zeichen für etwas interpretiert werden kann 11 –, gibt Heidegger der Zeichenproblematik eine ontologische Deutung.
[58] Damit kann er seiner Zeichentheorie keine Theorie des Codes zur Seite stellen, die auf jede Art von Zeichenfunktion anwendbar wäre, egal, ob es sich um verbale oder nonverbale Zeichen handelt. So hat denn zwar Heidegger innerhalb der Zeuganalyse Werkzeuge von Zeigzeugen begrifflich auseinandergehalten. Selbst »Anzeichen« kann er im Anschluß an Husserl als Zeichen begreifen. Dieser Gewinn fällt jedoch den Konstruktionsnöten der Fundamentalontologie zum Opfer, insofern Zeichen von Nicht-Zeichen in der von Heidegger vorgeschlagenen Art unterschieden werden. Denn so richtig es ist, daß der Zeichengebrauch nicht auf dem Weg »theoretischen Spekulierens« erklärt werden kann, sowenig folgt daraus, daß der Zeichensinn mit dem Handlungssinn zusammenfällt – geschweige, daß die Bedeutungen »das mögliche Sein von Wort und Sprache fundieren« (SZ 87).
Und Heidegger selbst hat später auch bemerkt, daß das Fundierungsverhältnis zwischen Zeichen und Bedeutung so nicht zu halten ist. In seinem Handexemplar von
Sein und Zeit
hat er angemerkt: »Unwahr. Sprache ist nicht aufgestockt, sondern
ist
das ursprüngliche Wesen der Wahrheit als Da.« (SZ 442) Ja, schon im Fortgang der Untersuchung wird diese von aller Empirie gereinigte Form der Bedeutung durch eine pragmatische Deutung zurückgenommen. Freilich mit der Konsequenz, daß nun die Zeichenproblematik ihre Relevanz für das Problem von Sprache und Verstehen gänzlich verliert. Und so ist das, was Heidegger ontologisch aufklären wollte – die »erschlossene Bedeutsamkeit«, die »als existenziale Verfassung des Daseins, seines In-der-Welt-seins, die ontische Bedingung der Möglichkeit der Entdeckbarkeit einer Bewandtnisganzheit« ist –, am Ende mit dem Dasein einfach als faktisch unterstellt.
[59] Sprache und Verstehen
»
Verstehen ist das existenziale Sein des eigenen Seinkönnens des Daseins selbst, so zwar, daß dieses Sein an ihm selbst das Woran des mit ihm selbst Seins erschließt
.« (SZ 144) Dieses Verstehen ist »entweder eigentliches, aus dem eigenen Selbst als solchem entspringendes, oder uneigentliches«. Der von Heidegger so eingeführte Verstehensbegriff bezieht sich also zunächst einmal auf das »Verstehen der Existenz«. Nicht mit Rekurs auf einen sprachlich geteilten Sinn wird der Verstehensbegriff eingeführt, sondern mit Rekurs auf das
praktische Selbstverständnis
, aus dem wir uns als der und der verstehen. Erst wird der Begriff des praktischen Selbstverständnisses eingeführt, und dann
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