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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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empirisch-faktischen Zeichengebrauchs und dem der reinen Bedeutungen, auf die sich die [55] intentionalen Akte beziehen, welche so die Vermittlung der unvermittelten Reiche bewerkstelligen sollen. Dennoch vermag Heidegger sich nicht von der gegenstandstheoretischen Zeichen- und Bedeutungstheorie zu emanzipieren, da er Husserls Intentionalitätstheorie im Grunde nur pragmatisch untermauert und auf das Besorgen ausdehnt. Denn bei allen Unterschieden im Detail, daß die »›Bedeutungen‹ […] das mögliche Sein von Wort und Sprache fundieren« (SZ 87), daran hat Heidegger genausowenig gezweifelt wie Husserl.
    Zwar behauptet Heidegger: »Den Bedeutungen wachsen Worte zu.« (SZ 161) Solange aber nicht klar ist, wie und von wo die Bedeutungen den Worten zuwachsen, solange nicht klar ist, wie der Zeichencharakter der Sprache dem der Bedeutung nachgeordnet sein kann, ohne daß wie im Scotus-Buch ein Dualismus zwischen den sinnlich gegenständlichen Sprachelementen einerseits und den zeitlos identischen Bedeutungen andererseits postuliert werden müßte – was zwangsläufig die leidige Frage nach der Vermittlung nach sich zieht, die dann nur noch vermittels der bedeutungsverleihenden Akte erklärt werden kann –, solange hängt die These in der Luft, daß den Bedeutungen Worte zuwachsen.
    Problematisch ist also zunächst nicht der Pragmatismus in der Zeichen- und Bedeutungstheorie. Problematisch ist die ontologische Deutung der Unterscheidung von Zeichen und Bedeutung, die eine ontologische Deutung der Zeichenbedeutung bedingt; und problematisch ist außerdem, daß Heidegger den Werkzeugcharakter des Zeugs auf den Zeichencharakter des Zeugs projiziert. Heidegger ist offenkundig der Auffassung, daß der Zeichensinn sich aus dem Handlungssinn ableiten läßt. Aus der richtigen Feststellung, daß Sinnprobleme Verstehensprobleme sind, schlußfolgert er nicht nur, daß alles Verstehen Sinnverstehen ist, sondern auch, daß der Zeichensinn, also der »Sinn und die Bedeutung von ...«, sich aus dem Handlungssinn, also aus der »Bedeutsamkeit für ...«, ableiten läßt. Heidegger meint anscheinend, den Zeichensinn und damit das Bedeutungsverstehen auf die zweckrationale [56] Erzeugung von Handlungseffekten zurückführen zu können. Analog zur intentionalistischen Semantik ist er damit genötigt, die zeichenvermittelte Kommunikation auf strategische Interaktion zu reduzieren. Dies hat zur Konsequenz, daß die Bedeutungsintention gegenüber der Bedeutungs
konyention
dominiert, so daß die Bedeutung sprachlicher Zeichen als
Mittel
zur Enthüllung von Intentionen expliziert werden muß. Damit bleibt jedoch Heideggers Zeichenanalyse den grundbegrifflichen Zwängen der Bewußtseinsphilosophie verhaftet. Die Kosten für die Widerlegung des Platonismus liegen in einem Intentionalismus, der aus der »Sorgestruktur des Daseins« nicht nur eine notwendige, sondern eine hinreichende Bedingung der Möglichkeit des sprachlichen Bedeutungsverstehens überhaupt macht. 10
    Dieser Intentionalismus ist auch der Grund, warum Heidegger im Unterschied zu Wittgenstein an jenen konventionellen Regeln, die die Bedeutungen von Zeichen festlegen, kein Interesse hat. Da Heidegger sich in seiner Zeichenanalyse von der Voraussetzung leiten läßt, daß die »Bedeutsamkeit« als das »Bezugsganze« des Bedeutens in sich die »ontologische Bedingung der Möglichkeit« birgt, »daß das verstehende Dasein als auslegendes so etwas wie ›Bedeutungen‹ erschließen kann, die ihrerseits wieder den möglichen Sinn von Wort und Sprache fundieren« (SZ 87), ist er nicht nur gezwungen, wie Husserl von einem transzendentalen Primat der Bedeutung gegenüber dem Zeichen auszugehen, sondern auch die Bedeutung gegenüber der sprachlich erzeugten Intersubjektivität der Verständigung als originär anzusetzen – es ist sicher kein Zufall, daß die Intersubjektivitätstheorie erst nach der Zeichentheorie entwickelt wird, nämlich im Rahmen der Mitseinsanalyse.
    Heidegger, der die Identität der Bedeutungen nicht mehr wie Husserl aus der intentionalen Struktur des Bewußtseins erklären will, sie aber aus den Sprachspielen nicht erklären kann, ist deshalb zu einer ontologischen Deutung gezwungen, weil er die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ohne Bezug auf die intersubjektive Verwendungsweise innerhalb eines [57] Sprachspiels sichern zu können glaubt. Und genau dies erweist sich als Fehlschluß. Die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke läßt sich nämlich nicht durch eine

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