Heidegger - Grundwissen Philosophie
wird der Verstehensbegriff auf das praktische und das hermeneutische Verstehen erweitert. »Sinn ist das, worin sich Verständlichkeit von etwas hält.« Und diesen »Sinn ›hat‹ nur das Dasein […].
Nur Dasein kann daher sinnvoll oder sinnlos sein
.« (SZ 151)
Dieses Verstehen der je eigenen Existenz hat eine zirkuläre Struktur, die zur »Struktur des Sinnes« gehört und in der »existenzialen Verfassung des Daseins, im auslegenden Verstehen verwurzelt ist« (SZ 153). Den Zirkel gilt es nicht zu vermeiden; es geht vielmehr darum, auf die »rechte Weise« hineinzukommen, da sich in ihm »eine positive Möglichkeit ursprünglichsten Erkennens« verbirgt.
Nachdem Heidegger den Begriff des Verstehens im Rückgriff auf die je eigene Existenz eingeführt hat, thematisiert er die Sprache. Im § 34 von
Sein und Zeit
, betitelt »Dasein und Rede: Die Sprache«, entwickelt er seine Auffassung über das »Wesen der Sprache«. 12 Zunächst jedoch grenzt er seine Position von Sprachkonzepten ab, die die Sprache »am Leitfaden der Idee des ›Ausdrucks‹, der ›symbolischen Form‹, der Mitteilung als ›Aussage‹, der ›Kundgabe‹ von Erlebnissen oder ›Gestaltung‹ des Lebens« (SZ 163) begreifen, von Sprachkonzepten also, die sich mit den Namen von Ernst Cassirer (1874–1945), Husserl, Frege, Rudolf Carnap (1891–1970), Dilthey oder [60] Nietzsche verbinden lassen. Gegenüber diesen, den grundbegrifflichen Zwängen der Bewußtseinsphilosophie verhafteten Betrachtungsweisen von Sprache wendet Heidegger ein, daß hier das »Wesen der Sprache« allein mit Bezugnahme auf das kognitive Weltverhältnis bestimmt wird. Indem sich die Rede so auf die Feststellung von Tatsachen konzentriert, ebnet sie nicht nur die Komplexität der Weltbezüge zugunsten des einen Bezugs zur Welt ein, sondern unterschlägt auch den nichtstrategischen Sinn der in der Sprache erzielten intersubjektiven Verständigung. Damit bleibt der logisch-ontologische Status der Sprache völlig im unklaren.
Es ist die mit der antiken Ontologie vorherrschend gewordene und die weitere abendländische Tradition bestimmende Tendenz, die Sprache am Leitfaden des Logos zu interpretieren, die Heideggers Kritik herausfordert. Denn den Logos als genuinen Zugang zum eigentlichen Seienden und über die kategoriale Bestimmung des Seins dieses Seienden auszulegen heißt, sich von vornherein des Problems zu entledigen, um dessen Klärung es Heidegger geht: die Analyse des vorontologischen Seinsverständnisses, das die tatsachenfeststellende Rede überhaupt erst ermöglicht. Dieses Problem kann im begrifflichen Kontext der Bewußtseinsphilosophie nicht befriedigend behandelt werden. Da diese für die philosophische Behandlung des Logos wesentlich die Aussage in den Blick genommen hat, hat sie auch die Grundstrukturen der Formen und Bestandteile der Rede am Leitfaden dieses Logos ausgearbeitet.
Problematisch an dieser subjektphilosophischen Deutung der Sprache, die mit der monopolistischen Auszeichnung der tatsachenfeststellenden Rede parallel geht, ist für Heidegger dreierlei: Erstens wird Sinn hier auf die Bedeutung von Urteilsgehalten beschränkt, zweitens sind die in Aussagen erhobenen Wahrheitsansprüche auf spezifische Weise mit je konkreten Weltbezügen verschränkt, die als solche aber nicht thematisch werden, und drittens ist der in Aussagen erhobene Wahrheitsanspruch nicht der einzige Anspruch, der sich mit [61] Sprechhandlungen erheben läßt. Heidegger kennt nicht nur die Klasse der Konstativa. Er weiß, daß zum Beispiel »Aufforderungen«, »Befehle« und »Wünsche«, also die in regulativen und expressiven Sprachhandlungen erhobenen Geltungsansprüche der Wahrhaftigkeit und der normativen Richtigkeit, sich nicht umstandslos in das Schema der konstativen Sprachhandlungen pressen lassen. Zwar unterscheidet und analysiert Heidegger nicht ausdrücklich Konstativa, Regulativa und Expressiva. Doch soviel ist auch im Kontext von
Sein und Zeit
klar: Soll überhaupt über etwas In-der-Welt-Seiendes gesprochen werden, muß dieses Etwas, das »
Worüber
der Rede«, bereits erschlossen sein.
Heidegger meint, daß »das mögliche Worüber einer prädikativen Bestimmung
vor
dieser Prädikation und
für
sie schon offenbar sein [muß]. Prädikation muß, um möglich zu werden, sich in einem Offenbarmachen ansiedeln können, das
nicht prädikativen
Charakter hat. Die Satzwahrheit ist […] in der vorprädikativen Offenbarkeit
von Seiendem
gewurzelt, die
ontische
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