Heidegger - Grundwissen Philosophie
Einheit der Apperzeption« ist die Feststellung, daß der als ihr Gegenstand betrachtete Satz »S ist P« die Eigenschaft der Wahrheit hat und demzufolge ein »geltender Satz« ist.
Dieser Standpunkt erscheint Heidegger nicht mehr vertretbar. Zum einen, weil jene »objektive Einheit der Apperzeption« von ihm detranszendentalisiert und in die Lebenswelt zurückgeholt wurde; dadurch verliert das »Ich denke«, konfrontiert mit den pragmatischen Verweisungs- und Bewandtniszusammenhängen, seine transzendentale Mächtigkeit und wird somit auch als »höchster Punkt« untauglich, an dem, wie Kant es noch wollte, die Logik, ja die Transzendentalphilosophie selbst aufgehängt werden könnte. Und zum anderen, weil bei Kant das Wahrheitsproblem urteilstheoretisch im Rahmen der Subjekt-Objekt-Beziehung entfaltet wurde. Denn Kant leitete zwar den Bruch mit der relationalen Auffassung der Kopula ein, er vollzog diesen Bruch jedoch innerhalb eines bewußtseinsphilosophischen Problemhorizonts. Gerade diesen will nun aber Heidegger hinter sich lassen.
Heidegger erkennt, daß die Übereinstimmungstheorie der Wahrheit mit der Schwierigkeit konfrontiert ist, das Vorliegen der anvisierten Übereinstimmung nur von der Position eines [111] entweltlichten Beobachters feststellen zu können, eines Beobachters, der selbst außerhalb der Subjekt-Objekt-Relation der Erkenntnis steht und diese mit dem Auge Gottes als Relation zwischen Objekten objektivierend bewertet. Lehnt man nun diesen Gottesstandpunkt ab, dann führt der Versuch, die Übereinstimmung zu benennen, in einen Regreß, da die kriteriale Bestimmung der Übereinstimmungsbeziehung nur durch ein Urteil realisiert werden könnte, wobei die kriteriale Bestimmung der Übereinstimmungsbeziehung ihrerseits der gleichen Überprüfung bedarf – ad infinitum. Daher muß das Wahrheitsproblem aus seiner bewußtseinsphilosophischen Verklammerung gelöst werden.
Die Pointe der Heideggerschen Kritik an der logozentristischen Auszeichnung der Aussage besteht aber nicht allein in dem negativen Nachweis, daß, wie Heidegger gegen Paul Natorp (1854–1924) und Heinrich Rickert geltend macht, der erkenntnistheoretische Ansatz »den Zugang zur eigentlich ontologischen Frage sowohl nach der Seinsart des Subjekts als auch nach der Seinsart des Seienden« verlegt – eines Seienden, »das möglicherweise Objekt wird, aber nicht notwendig werden muß« (GA 24, 223). 64 Heidegger verfolgt mit dieser Kritik ein positives Anliegen. Es geht ihm um den Nachweis, daß der hermeneutische Logos dem objektsprachlichen Logos vorgeordnet ist. Und so kann er Kant attestieren, daß dieser mit der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori auf dem richtigen Weg war. Der mit dieser Frage geforderte »Rückgang auf das Subjekt im weitesten Sinn« ist auch für Heidegger der einzig »mögliche und rechte«. (GA 24, 105) Daher ist es ihm zunächst möglich, seine eigene Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit für das Seinsverständnis des In-der-Welt-Seins in Anlehnung an die transzendentalphilosophische Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori zu begreifen. Insofern nun aber Kant aus Mangel an Erkenntniskritik den »Bestand der aus der Antike überlieferten ontologischen Kategorien selbstverständlich« in ihrer entwurzelten, bodenlosen und [112] unverstandenen Form übernimmt, vergibt er die mit der kopernikanischen Wende verbundene »Chance« auf einen wirklichen Neubeginn. »Sofern zur Möglichkeit der Erkenntnis von Seiendem das vorgängige Verstehen der Seinsverfassung des Seienden gehört, wird die Frage nach der Möglichkeit der ontischen Erkenntnis zurückgeworfen auf die nach der Möglichkeit der ontologischen.« Daher müsse Kant auf einer fundamentalontologischen Grundlage reformuliert werden. Dies macht Heidegger, der die »ontologische Erkenntnis« auch als »ursprüngliche Wahrheit« bezeichnet, da sie überhaupt erst jenen »Horizont enthüllt«, innerhalb dessen sich die »Frage nach der Möglichkeit der ontischen Erkenntnis« sinnvoll stellen läßt, dergestalt, daß er die
Kritik der reinen Vernunft
als Theorie der ontologischen Erkenntnis interpretiert und diese ontologische Erkenntnis als »vorgängiges Seinsverständnis« bestimmt. (GA 3, 123 und 11 f.)
Mit dieser als »phänomenologische Auslegung der Kritik der reinen Vernunft« vollzogenen Uminterpretation der Kantischen Erkenntniskritik, deren Ferne zu Kant von Ernst
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