Heidegger - Grundwissen Philosophie
Wahrheit« ist, immer auch Aussagen über Seiendes macht. Die These, daß das Dasein »in der Wahrheit« ist, hat einen ontologischen Sinn. Mit dem transzendentalen Rückgang auf das ursprüngliche Phänomen der Erschlossenheit soll nicht nur Erschlossenheit als Wahrheit verständlich gemacht werden, sondern gleichzeitig die traditionelle Wahrheitsauffassung – Wahrheit verstanden als Übereinstimmung zwischen einer Aussage und einem Sachverhalt – eine klärende Vertiefung erhalten. Philosophie als »universale phänomenologische Ontologie, ausgehend von der Hermeneutik des Daseins«, soll zeigen, daß »jede Erschließung von Sein als des transcendens […]
transzendentale Erkenntnis [ist]. Phänomenologische Wahrheit (Erschlossenheit von Sein) ist veritas transcendentalis
« (SZ 38).
Heidegger will also nicht vordringlich die traditionelle Wahrheitsauffassung demontieren. Wie er betont, geht auch er vom »traditionellen Wahrheitsbegriff« aus, was insofern nicht verwundert, als die Korrespondenztheorie der Wahrheit die Grundintention der Aussagenwahrheit formuliert, so daß diese von allen Wahrheitstheorien vorausgesetzt wird. Gleichzeitig jedoch meint er, daß man das »
ursprüngliche
Phänomen der Wahrheit« mißverstehen würde, wenn die Idee der Wahrheit auf die Idee der »Übereinstimmung« bezogen werde – etwa im Sinn »irgendeiner heutigen Urteilstheorie«. Nach Heidegger geht es darum, den Wahrheitsbegriff von der Idee der »Übereinstimmung« »freizuhalten«, da eben mit dieser Idee [109] jene verhängnisvolle Entwicklung in der Wahrheitstheorie in Gang gesetzt wurde, die Heidegger als Sackgasse begreift: die aussagenmäßige Übereinstimmung einer Aussage mit einem Gegenstand.
Diese »traditionelle« Auffassung des Wesens der Wahrheit geht von drei Thesen aus. »1. Der ›Ort‹ der Wahrheit ist die Aussage (das Urteil). 2. Das Wesen der Wahrheit liegt in der ›Übereinstimmung‹ des Urteils mit seinem Gegenstand. 3.
Aristoteles
, der Vater der Logik, hat sowohl die Wahrheit dem Urteil als ihrem ursprünglichen Ort zugewiesen, er hat auch die Definition der Wahrheit als ›Übereinstimmung‹ in Gang gebracht.« (SZ 214) In diesem Zusammenhang verweist Heidegger auf den Aristoteles-Kommentar von Ammonius. Nachdem Heidegger im § 7 (»Die phänomenologische Methode der Untersuchung«) viel Mühe darauf verwendet hat, den Logos-Begriff von Plato und Aristoteles von seinen neuzeitlichen Verengungen und Restriktionen freizuhalten, so auch von der Restriktion des
Logos
auf die Aussage und von der Idee der »Übereinstimmung«, wird hier nun Aristoteles, den Heidegger analog zu Kant als den Vater der modernen Logik ansieht, für eine Entwicklung verantwortlich gemacht, die die Definition der Wahrheit als Übereinstimmung einer Aussage mit einem Gegenstand in Umlauf gesetzt hat.
Aristoteles hat dies wie folgt formuliert: »Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-seiende sei nicht, ist wahr.« 61 Nach Aristoteles ist eine Proposition dann wahr, wenn die Konfrontation einer Proposition mit den Sachverhalten, von denen sie handelt, zeigt, daß sich die Sachverhalte so verhalten, wie die Proposition sie wiedergibt. Damit ist die Definition der Wahrheit als »adaequatio intellectus et rei« vorbereitet, die über Thomas von Aquino (1225–1274), über Leibniz und Locke bis zu Kant und darüber hinaus in Geltung blieb.
Traditionell beginnend, fragt nun Heidegger: Wenn Wahrheit als Übereinstimmung einer Erkenntnis mit einem Gegenstand [110] gefaßt werden soll, worin besteht dann die Übereinstimmung? Von dieser Fragestellung ging auch Kant aus – er setzte die Definition von Wahrheit als »Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstand« als »geschenkt« voraus. 62 Unzufrieden mit der Erklärung, »welche die Logiker von einem Urteile überhaupt geben«, wenn sie sagen, es sei »die Vorstellung eines Verhältnisses zwischen zwei Begriffen«, ohne jedoch angeben zu können, »worin dieses
Verhältnis
bestehe«, meint Kant, »daß ein Urteil nichts anderes sei, als die Art, gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen. Darauf zielt das Verhältniswörtchen ist in demselben, um die objektive Einheit gegebener Vorstellungen von der subjektiven zu unterscheiden.« 63 Kant betrachtet die Kopula als das Mitteilungszeichen für den Wahrheitsanspruch des Satzes »S ist P«. Die »objektive
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