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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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handelt, nur daß im Rahmen der Sprachontologie die Referenz vom Sein selbst beigebracht wird.
    Die Sprache soll es fortan sein, die den Worten die Bedeutungen verleiht, und nicht mehr das praktische Besorgen. Auch der »Sinn von Sein«, der ehemals über das »Verstehen der Existenz« und das praktische Besorgen aufgeklärt werden sollte, soll nun direkt mit Rekurs auf das Sein thematisch werden. Heidegger meint jetzt, daß sein früher Pragmatismus eine voreilige Kapitulation vor der »seit Jahrhunderten verherrlichten Vernunft« gewesen sei, die »die hartnäckigste Widersacherin des Denkens ist«, weshalb es gelte, das Denken neu, nämlich aus einem anderen Anfang heraus, zu denken. (GA 5, 267)
    Aus diesem Grund verbindet sich dann bei Heidegger mit der Wende zur Sprache nicht das pragmatische Interesse an jenen Lebensformen, denen die Aufmerksamkeit des späten Wittgenstein gilt. Im Gegenteil: Heideggers späte Wende zur Sprache ist mit dem dezidiert antipragmatischen Interesse ihrer Verwindung verbunden. Eine Wendung im Sinne Wittgensteins verbietet sich für Heidegger schon deshalb, weil diese nicht deutlich genug gegen das »praktische Trauma« gerichtet ist, das es zu beseitigen gilt. 7 Daher fragt Heidegger auch noch dort nach einer »Gründung des Grundes«, wo sich bei Wittgenstein alle Begründungen erschöpft haben. 8 Und da diese Gründung nicht mehr durch ein intentionalistisches Bewußtsein erklärt werden kann, muß sie seinsphilosophisch in Ereigniskategorien erklärt werden – was Heidegger dann dazu veranlaßt, von der Sprache so zu reden, als sei sie eine Göttin, während alles bisherige Denken eine bereits zu Ende erzählte und auch zu Ende gekommene Geschichte in Form eines begrenzten Ganzen sei. 9
    [150] Der späte Heidegger redet über die Welt wie einst der frühe Wittgenstein: »sub specie aeterni ... als – begrenztes – Ganzes« 10 . Der Grund hierfür ist der, daß Heidegger hofft, dem »Gerede« und der »Zeit des Weltbildes« zu entkommen. Und dabei spricht er der sich selbst sprechenden Sprache superlativistische Eigenschaften zu – während Wittgenstein meint, daß es zwischen Geschwätz und Nicht-Geschwätz nur einen graduellen Unterschied gebe und daß solch eine Hoffnung nur enttäuscht werden könne, weil es den Ort, von dem aus Heidegger zu sprechen meint, für ein endliches Wesen einfach nicht gebe. Nirgends.

[151]
Anmerkungen
    Die Frühschriften
    1 H. Schnädelbach: »Thesen über Geltung und Wahrheit«, in: ders.:
Zur Rehabilitierung des animal rationale
, Frankfurt a. M. 1992, S. 115.
    2 Vgl. E. Tugendhat:
Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie
, Frankfurt a. M. 1976, S. 64.
    3 Vgl. ebd., S. 158.
    4 Vgl. W. Künne:
Abstrakte Gegenstände: Semantik und Ontologie
, Frankfurt a. M. 1983; vgl. auch W. Stegmüller:
Das Universalienproblem
, Darmstadt 1978.
    5 Vgl. H. Lotze:
Logik. Die Lehre vom Urtheil, vom Begriff und vom Schluß
, Bd. 1, 2.Aufl. Freiburg im Br. 1889, S. 150ff.; W. Windelband:
Beiträge zur Lehre vom negativen Urteil
, Tübingen 1921, S. 168ff.; H. Rickert:
Der Gegenstand der Erkenntnis. Einführung in die Transzendentalphilosophie
, 6. Aufl., Tübingen 1928, S. 165ff.
    6 Vgl. L. Wittgenstein:
Tagebücher 1914–1916
, in: ders.:
Werkausgabe
, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1984, S. 130 und 104.
    7 Vgl. E. Tugendhat:
Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie
, a. a. O., S. 66f.
    8 Vgl. U. Tietz:
Ontologie und Dialektik. Heidegger und Adorno über das Sein, das Nichtidentische, die Synthesis und die Kopula
, Wien 2003, S. 25.
    9 Vgl. H. Rickert: »Urteil und Urteilen«, in:
Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie und Kultur
, Bd. III (1912), S. 240.
    10 Ebd.
    11 Zum Verhältnis von Phänomenologie und Sprachanalyse vgl. M. S. Stepanians:
Frege und Husserl über Urteilen und Denken
, Paderborn 1998. Zum Verhältnis von Phänomenologie und Sprachanalyse nach dem linguistic turn und der hermeneutisch-pragmatischen Wende vgl. K. Glüer/G. Keil/U. Tietz (Hg.):
Phänomenologie und Sprachanalyse. Festschrift für Herbert Schnädelbach
, Frankfurt a. M. 2005.
    [152] 12 M. Riedel: »Hermeneutik und Gesprächsdialektik. Gadamers Auseinandersetzung mit Heidegger«, in: ders.:
Hören auf die Sprache. Die akromatische Dimension der Hermeneutik
, Frankfurt a. M. 1990, S. 99f.
    13 Vgl. B. Russell an G. Frege vom 16. Juni 1902, in: G. Frege:
Wissenschaftlicher Briefwechsel
, hg. von G. Gabriel, H. Hermes, F. Kambartel,

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