Heidelberger Lügen
wir in ständigem Kontakt. Theresa redete von Abnehmen und Diäten und aß mit prächtigem Appetit.
»Interessiert es uns, was die anderen Gäste von uns denken?«, fragte sie und drückte einen langen Kuss auf meinen Mund.
»Warum?« Ich küsste sie auf die Nase. »Die sind doch bloß neidisch.«
Das Personal tat, als wären wir völlig normal, und war so diskret, wie man es in einem solchen Haus erwarten darf.
Beim Dessert schlug Theresa plötzlich die Hand vor den Mund und sah mich groß an.
»Was ist? Gibt es ein Problem?«
Sie nickte, die Hand immer noch vor dem Mund.
»Egal, was es ist. Jedes Problem ist lösbar für einen Mann wie mich.«
»Ich glaube fast, ich habe in der Eile vergessen …« Verlegen senkte sie den Blick auf ihren großen Teller, wo eine winzige Portion Panna cotta von Früchtestückchen umlagert wurde. »Ich habe kein Höschen an.«
Als ich diese Behauptung durch Tasten überprüfen wollte, lachte sie auf und schob meine Hand weg. Nun wurden die anderen Gäste doch aufmerksam, und wir beschlossen, den Rest des Rieslings stehen zu lassen und eine volle Flasche mit aufs Zimmer zu nehmen. Als ich dachte, nun endlich ans Ziel meiner Wünsche zu kommen, schlug Theresa mit treuherzigem Augenaufschlag einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft vor.
»Theresa! Wir haben Februar!«
»Nur ganz kurz. Bitte!«
»Ich bezahle doch nicht das teuerste Hotel weit und breit und fahre mit der Frau meiner Träume stundenlang in der Weltgeschichte herum, um dann mit ansehen zu müssen, wie sie neben mir erfriert! Noch dazu ohne …«
»Bitte!«, schmollte sie. »Nur ein kleines bisschen frische Luft!«
Ich kann Frauen einfach nichts abschlagen.
Mir war schon in der ersten Sekunde kalt. Theresa hakte sich bei mir ein, schleppte mich durch den kleinen, romantisch beleuchteten Park und führte sich auf, als fühlte sie sich pudelwohl.
»Du hast eben keinen Sinn für Natur!«, meinte sie und rieb zur sofortigen Wiedergutmachung ihr Gesicht an meiner Schulter.
»Ich habe zurzeit andere Aspekte der Natur im Kopf«, knurrte ich.
Diese unmögliche Frau brachte es fertig, in ihrem dünnen Kleidchen zehn Minuten lang so zu tun, als würde sie nicht frieren. Dann gab sie endlich auf.
»Aber nur, wenn du mich über die Schwelle trägst! Es ist schließlich unsere Hochzeitssuite!«
»Ich trage dich von hier bis Heidelberg, wenn es dort warm ist und ein anständiges Bett gibt.«
»Ein unanständiges wäre mir aber lieber.« Als ich Ernst machte, wollte sie auf einmal doch nicht getragen werden. »Ich würde bestimmt kreischen«, gestand sie mir ins Ohr. »Und das wollen wir lieber nicht riskieren. Immerhin sind wir keine Teenager mehr.«
»Das ist das erste Mal heute, dass mir das bewusst wird. Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe, du Luder?«, brummte ich.
»Wir könnten es gleich hier tun! In der freien Natur, das ist auch toll!«, schlug sie mit klappernden Zähnen vor.
»Damit man morgen früh unsere zusammengefrorenen Leichen findet? Was sollen die Leute denken?«
»Männer!«, schmollte sie. »Kein Sinn für Romantik!«
Wie wir unser Zimmer erreichten, weiß ich nicht mehr genau. Wie mit allen Verliebten war das Glück mit uns. Das Personal war wirklich äußerst diskret. Sie trug übrigens wirklich kein Höschen, wie ich rasch feststellte. Aber sie hatte es ganz gewiss nicht vergessen.
6
Als ich erwachte, war es halb zwölf, das Frühstück vermutlich längst abgeräumt, vor den Fenstern tirilierten Vögel, draußen fuhr leise ein schwerer Wagen vor und kurze Zeit später wieder weg. Theresa, dieses herrliche und ganz und gar unanständige Weib, war nicht ansprechbar und verschwand murmelnd noch weiter unter ihrer Decke, als ich versuchte, sie aus dem Schlaf zu kitzeln.
Ich kann, wenn ich einmal wach bin, nicht lange untätig herumliegen. So schlich ich ins Bad, kleidete mich leise an und ging hinunter. In der Nähe schlug eine Dorfkirche gemächlich zwölf. Das Wetter passte zu meiner Stimmung. Die Sonne war wärmer als erwartet, es war völlig windstill, in den Bäumen versuchten Vögel, sich gegenseitig davon zu überzeugen, dass nun wirklich der Frühling gekommen sei. Nur im Schatten merkte man, dass wir immer noch Winter hatten.
Spazieren gehen ohne Theresa war langweilig. Nach kaum zehn Minuten beschloss ich, hinaufzugehen und sie mit etwas mehr Nachdruck zu wecken. Als ich an der Rezeption vorbeikam, war diese verwaist. In der Ferne hörte ich Stimmen, die vermutlich
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