Heidelberger Lügen
aus der Küche kamen, wo es klapperte und schepperte.
Ein Polizist ist immer Polizist, hatte schon Vera oft geseufzt.
Mit unschuldiger Miene schlenderte ich hinter den Tresen, als wollte ich meinen Schlüssel vom Brett nehmen, den ich in der Tasche trug. Früher wäre es einfacher gewesen. Da hätte ein dickes Buch auf dem Tisch gelegen, in dem man nur ein paar Monate zurückblättern musste, um zu finden, was man suchte. Aber heute gab es kein Buch mehr. Stattdessen summte ein Computer, und auf dem dazugehörigen Bildschirm schwammen bunte Fische herum. Als ich versuchshalber eine Taste drückte, wechselte der Bildschirm die Farbe und verlangte ein Passwort von mir. Gerade noch rechtzeitig kam ich wieder vor den Tresen, als ich Schritte hörte.
Es war dieselbe Frau, die mich am Donnerstag hatte abblitzen lassen. Fröhlich fragte sie, ob ich und die Frau Gemahlin gut geschlafen hätten, was ich bejahte, wollte wissen, ob sie etwas für mich tun könne. Dabei sah sie an mir vorbei und nickte jemandem freundlich zu, der eben den Raum betrat.
Ein teuer gekleidetes Paar in den Sechzigern bekam einen Schlüssel ausgehändigt. Dann waren wir wieder allein. Selbstverständlich wusste sie, was sie für mich tun konnte, weshalb ich hier stand. Nachdenklich, aber nicht unfreundlich sah sie mich an. Als Gast genoss ich offenbar mehr Vertrauen denn als Kripobeamter.
»Sören Kriegel hat der Mann geheißen, nicht wahr?« Sie senkte die Stimme. »Vor ein paar Tagen hat nämlich schon mal jemand angerufen deswegen. Eine Frau.«
»Seine Witwe vermutlich.«
Sie nickte ernst. »Er hat einen Unfall gehabt?«
»In derselben Nacht. Wenn er tatsächlich hier ein Zimmer gebucht hatte, dann muss er irgendwann nach Mitternacht abgereist sein.«
»Um die Zeit ist die Rezeption nicht mehr besetzt«, sagte sie in einem Ton, als müsste sie ihr Haus verteidigen. Wieder sah sie an mir vorbei. Ich fürchtete schon, sie würde wieder ihren Chef mit der Adlernase bemühen, da gab sie sich einen Ruck. Sie setzte ihre Goldrandbrille auf und begann wortlos auf der Tastatur zu tippen. Schweigend drehte sie den Monitor so, dass ich ihn sehen konnte. Sören Kriegel war am Abend des fünften Juli angereist und hatte das Zimmer sofort bar bezahlt. Nummer zwanzig. Ein Doppelzimmer. Na also.
Sie blinzelte mir zu. »Ich habe Ihnen nichts gesagt, okay?«
»Sie waren ja gar nicht hier. Ich habe es ganz zufällig gesehen, im Vorbeigehen. Hat er das Zimmer allein bewohnt?«
»Gebucht war jedenfalls sonst niemand für die Zwanzig.« Sie drehte den Monitor wieder in die alte Richtung. »Aber sie kann natürlich auch in einem anderen Zimmer übernachtet haben. Das machen manche so. Wenn sie zwei Rechnungen brauchen, zum Beispiel.«
»Sie haben nicht zufällig eine Liste der Gäste jener Nacht herumliegen, die sie nicht mehr brauchen?«
Diesmal war ich offensichtlich zu weit gegangen. Angestrengt sah sie auf den Bildschirm. »Zweiundfünfzig Gäste waren im Haus damals. Kein Wunder, dass es ein Unglück gegeben hat.«
Ich sah sie verständnislos an.
»Vier mal dreizehn. Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«
Da sie ernst blieb, verkniff ich mir das Lachen. »Mich würde wirklich interessieren, ob er in Begleitung war.«
»Das habe ich schon verstanden.« Unschlüssig schob sie die Maus herum. »Es ist irgendwie komisch. Zimmer einundzwanzig war belegt, der Name steht hier aber nicht. Aber eines wird Sie vielleicht interessieren: Zwischen den beiden Zimmern gibt es eine Verbindungstür. Und wenn die Gäste es wünschen, dann bekommen sie den Schlüssel dazu.«
»Und? Hat Herr Kriegel den Schlüssel verlangt?«
»Das wird nicht notiert.«
Wieder sah sie an mir vorbei und begrüßte jemanden mit ihrem Lächeln. Dieser Jemand trat hinter mich und schlang zwei heiße Arme um meinen Hals.
»Guten Morgen, Verruchter.« Theresas Zungenspitze fuhr in mein Ohr. »Was tust du hier?«
»Och.« Ich wandte mich um und gab ihr einen ordentlichen Guten-Morgen-Kuss. »Nichts.«
Theresa ging auf Abstand. »Wenn ein Mann sagt, er würde ›nichts‹ tun, dann hat man als Frau Grund, sich Gedanken zu machen. Du hast doch nicht etwa Geheimnisse vor mir?«
»Ich möchte an die frische Luft«, sagte sie, als ich schwieg. »Und außerdem bin ich hungrig wie eine Wölfin.«
Ich erzählte ihr von Sören Kriegel, von seiner verzweifelten Witwe, seinem kleinen Sohn.
»Ich hatte gedacht, du verbringst das Wochenende mit mir und nicht mit deiner Arbeit«, waren ihre letzten
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